Revelations
Terrasse des luxuriösen Landsitzes zu, auf der sie bereits von einem älteren Mann mit gepflegter Halbglatze erwartet wurden. Er saß in einem antiken Rollstuhl ohne jegliche Elektronik und wirkte etwas misstrauisch, als Jiao die drei Stufen zu ihm heraufeilte.
»Charles!«, rief ihm die Asiatin entgegen und kniete sich mit einem Bein auf den Boden, so dass sie sich mit dem alten Herrn auf Augenhöhe befand. »Wie geht‘s der Gesundheit?«
Angel hielt die Vorstellung beinahe für eine Unterwerfungsgeste, bis Jiao ihm mit erhobenem Haupt die Hand schüttelte und sogleich wieder aufstand.
»Wer sind die?«, fragte Charles wortkarg und deutete mit seinem knöchrigen Zeigefinger auf Cassidy, die mit den anderen Passagieren beim Wagen geblieben war.
»Freunde von mir. Aus dem Süden«, antwortete Jiao und setzte sich auf die oberste Terrassenstufe, wie eine Enkelin neben ihren Großvater. »Die wollen sich in Arnac etwas umsehen.«
»Hmph!«, grunzte Charles. Er glaubte ihr ganz offensichtlich kein Wort. »Die haben Arnac wegen des Sklavenaufstands dichtgemacht. Da kommst du nicht mehr rein.«
»Deswegen sind wir hier«, sagte Jiao nickend und drehte sich zu ihm um. »Leihst du mir nochmal einen deiner Wagen?«
»Ach verdammt Jiao«, fluchte der alte Mann und rieb sich über die funkelnde Halbglatze. »Du kannst nicht alle paar Wochen bei mir reinschneien und mit meinem Pick-up quer durch das Land fahren. Irgendwann werden die misstrauisch und am Ende bin ich meine Farm los!«
Jiao schien seine ablehnende Haltung bereits erwartet zu haben. Schmunzelnd zog sie eine versiegelte Flasche mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit aus ihrem Lederbeutel heraus.
»Kann ich dich vielleicht mit einem fünfzig Jahre alten Brandy bestechen?«
Grummelnd betrachtete Charles das verwitterte Etikett und nickte kurz darauf in die Richtung einer der Scheunen.
»Du bist ein Schatz!«, sagte Jiao und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Während sich der Alte über die bedrohlich nachgebenden Terrassenbretter in sein Haus zurückkämpfte, rief er Jiao hinterher, »Sam bräuchte außerdem mal wieder etwas Hilfe bei meinen Sonnenkollektoren!«
Ohne auf eine Antwort zu warten oder überhaupt den Kopf zu drehen, verschwand er hinter einer massiven Doppeltür aus Edelhölzern, die von einer Frau in Dienstmädchenuniform aufgehalten wurden. Jiao stieg wieder ein und fuhr auf die größte Scheune der Anlage zu. An den geöffneten Toren erwartete sie ein großer, dunkelhäutiger Mann mit spiegelnder Glatze und freiem Oberkörper.
»Schön dich mal wiederzusehen, Viola!«, rief er ihnen entgegen und knetete dabei einen öligen Lappen durch, um sich die Hände zu säubern.
»Böser Sklave! Du sollst mich nicht so nennen!«, entgegnete ihm Jiao beim Aussteigen mit erhobenem Zeigefinger, begann aber einen Moment später zu lachen und schüttelte ihm die Hand. »Wie sieht der Wagen aus?«
»Klapprig wie immer«, erwiderte der Mann schulterzuckend und schlug die Motorhaube des Pick-ups zu, an dem er bis eben gearbeitet hatte. Der Wagen besaß wie Butchs Prachtstück eine zweite Sitzreihe, war aber bei weitem nicht so lang und opferte stattdessen einen Teil der Ladefläche dafür. Mit seiner matten, eierschalenfarbenen Lackierung fiel er im hellen Wüstensand überhaupt nicht auf. Angel, Cassidy und Dog versteckten ihre großkalibrigen Waffen auf dem Heck unter einer fest verzurrten Kunststoffplane. Nur die Pistolen und den grauen Kampfstab behielten sie bei sich. Mit der Hilfe des verschwitzten Arbeiters dauerte das Umladen der Wasserkanister und Verpflegungspakete nur ein paar Minuten. Zusätzlich tauschten sie drei verbrauchte Wasserstoffflaschen gegen gefüllte aus, um schon mal die Rückfahrt vorzubereiten. Etwas zögerlich erklärte Jiao, dass sie häufig Zwischenstation auf der Farm von Charles machte, wenn sie im sicariianischen Territorium unterwegs war, und deswegen immer einen kleinen Vorrat an Gasflaschen einlagerte. Zum Schluss nahm sie das Foto ihrer Mutter vom Armaturenbrett und ließ es unter ihrem Poncho verschwinden.
»Danke dir! Ich werd Leon mit unseren Technikern bei dir vorbeischicken, sobald sie Zeit haben«, sagte sie beim Einsteigen in den Pick-up. »Und sag Charles, dass er dich nicht so sehr herumkommandieren soll!«
»Als wenn ich da eine Wahl hätte!«, rief ihr der dunkelhäutige Mechaniker lachend hinterher.
Als sie anschließend am Herrenhaus vorbeifuhren, konnten sie den Rollstuhlfahrer am Panoramafenster
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