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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
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mitwirkte. Der Bandleader sorgte dafür, dass sie alle rausflogen, Hausmeister inklusive. Steve hatte damals schon viel gesoffen, eigentlich wie alle, vielleicht nur ein bisschen mehr.
    „Mann, Steve! Lange nich gesehen.“
    Steve sah ihn aus trüben Augen an und nickte langsam. „Kann man wohl sagen. Jahre! Mann, ich dacht, den kennße doch, tss, der Spargel! Darauf müssenwer aber anstoßen.“ Er machte eine Geste, die Horst normalerweise nicht akzeptiert hätte, aber Horst hatte ja einen Tiefblick für Menschen und kam der Aufforderung „Machma zwei Stößchen und zwei Kurze fertig“ kommentarlos nach.
    Spargel sah auf die Uhr. Er konnte jetzt nicht nein sagen, es gab gewisse Regeln zwischen alten Kumpels, die hielt man ein, egal ob einem das jetzt gerade in den Kram passte oder nicht.
    „Was hast´n so gemacht in der Zwischenzeit?“
    Steve winkte ab. Seine Backen bewegten sich mahlend hin und her, als könne er den Speichel, der sich im Mundraum sammelte, nicht bewältigen, wie jemand, der keine Zähne mehr hatte. Später stellte Olaf fest, dass seinem Freund wirklich Zähne fehlten, nur vorne hingen noch ein paar.
    „Nichts Besonderes. Ma hier und ma da gearbeitet, ein Jahr oder so in Essen als Parkwächter, halbes Jahr im Knast ..., na ja, man lernt eben immer die falschen Leute kennen, wenn´s einem beschissen geht. Jetz bin ich arbeitslos. Hab auch kein Bock mehr. Wat soll´s?, vor sieben Monaten haben wir uns getrennt.“
    „Gaby und du? Wieso das denn?“
    Steve klemmte das Schnapsglas zwischen die Zähne und kippte den Klaren nach hinten, ohne die Hände von der Theke zu nehmen. Mein Gott, das macht der immer noch, dachte Olaf. Und Gaby war eine alte Schlampe, die damals schon zwanzig Jahre älter aussah als sie war. In Punkzeiten hingen sie immer zusammen: Gaby-und-Steve, das ewige Paar. Aber Gaby hätte alles darum gegeben, mit dem Spargel zu vögeln, davon wusste ihr armer Freier nichts. Ob sich dann tatsächlich mal was abgespielt hatte, vielleicht im Suff, konnte Spargel nicht genau sagen.
    „Hat mich einfach rausgeschmissen, musste dir ma reintun, nach acht Jahren! Warum, weiß ich nich. Hatte vielleicht die Schnauze voll von mir. Interessiert mich aunich mehr. Da stand ich auffe Straße und keine Sau, wo ich hinkonnte.“
    „Iss ja schrecklich!“
    „Ach komm, hör auf. Keine Sau, keiner will mehr was von ein wissen.“
    „Und wo wohnste jetzt?“
    „Gleich neben der Kokerei Hansa, mit Aussicht auffen Kühlturm. Iss gar nich so schlimm. Den Dreck kriegen wir gar nich mit. Der zieht bei uns über die Köppe wech.“ Er lachte ein heiseres, bitteres Lachen.
    Olaf kannte die Häuser neben der Kokerei. Als die gebaut wurden, hatte seine Mutter gerade den Walter geheiratet, und sie überlegten sogar, dahin zu ziehen, weil die Wohnungen so billig waren. Später waren sie froh, dass sie es doch nicht gemacht hatten, denn innerhalb kürzester Zeit sah man die ersten kaputten Fenster, zerkratzte oder eingetretene Türen, und die ganze Gegend verwahrloste. Wenn man Strom wollte, musste man erst Geld in einen Kasten stecken, erzählte der Walter damals, da wohnen nur Asoziale. Dabei war er doch selbst son asoziales Subjekt, das seinen Stiefsohn verprügelte, weil der sich noch nicht wehren konnte. Der hätte gut dahin gepasst. Und jetzt wohnte der Steve da, das tat ihm leid. Der alten Zeiten wegen tat es ihm leid.
    „Weiße noch früher? Da ging die Post ab“, sagte Steve, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Ich werd nie vergessen, wiede auf dem Konzert damals auf die Bühne gesprungen biss und dem Lackaffen von Sänger das Mikro außer Hand gerissen hass. Ich bin ein Terrorist, ich bring euch alle um!, hasse gebrüllt. Mann, hamwer da Spässken gehabt. Danach gab´s nix mehr, Schluss.“
    „Ach, es kommt immer was danach“, sagte Spargel ohne Überzeugung. „Man darf nich so an der Vergangenheit hängen.“
    „Punk war geil.“
    „Klar war das geil. Aber man muss auch bereit sein, mit der Zeit zu gehen, sich zu verändern.“
    Steve schüttelte den Kopf. „Du verstehst das nich. Es ändert sich nur einmal alles, dann nich mehr.“
     
    Was veranlasste den Spargel, dieses Wrack von Steve mit nach Hause zu nehmen? Er sagte doch immer: Leute, die einen mit ihrer Negativität nach unten ziehen, will ich nicht in meiner Wohnung haben. Aber Spargel war ein bisschen betrunken, obwohl er das heute gar nicht vorhatte, aber jetzt war er´s, da konnte er nicht einfach aufhören. Weil es

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