Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
Vom Netzwerk:
Morgens an die Bude gehen und ne Pulle Wermut kaufen, das war echt das Letzte. Der Anblick der morgendlichen Straßen vermischte sich mit dem Anblick der glühenden Herdplatte und der am Boden verstreuten Kassetten. Bilder, die er sich anziehen musste.
    Er fasste einen Entschluss. So beim Gehen.
    Als er zurückkam, saß Steve noch genauso da wie vorher. Er nahm die Flasche, die Olaf ihm reichte und trank.
    „Es wäre ganz gut, wennde jetz gehst.“
    Steve nickte, stand auf und verschwand. Er wusste, dass er ihn nicht wiedersehen würde.
     
    Olaf nahm ein Aspirin und räumte auf, machte das Bad sauber und zündete ein paar Räucherstäbchen an. Dann duschte er, machte sich Tee, setzte sich in seinen Sessel.
    Fünf Jahre auf 18 m². Wir haben uns geliebt. Das war der leuchtende Stern, an dem man sich orientieren musste.
    Er rauchte eine leichte Mischung aus seiner Dose und merkte, wie er sich langsam besser fühlte. Die Kopfschmerzen klangen ab, die Wohnung war wieder in Ordnung und er liebte Vera. Wieso war er noch nicht eher darauf gekommen?
    Er nahm den Schreibblock und seinen Füllfederhalter und begann, mit fein säuberlichen Buchstaben, denen man die Anstrengung ein bisschen ansehen würde, zu schreiben:
     
    Meine Blume, die ich grade nicht pflüken kann. Es gipt soviel was ich dir erzählen möchte, aber ich will nicht den Brief damit beschmutzen. Ich habe es satt, diese Straßen und diese Leute, diese ganzen Fertigen. Es gipt nichts was ich hier noch tun kann. Du wirst das verstehn. Die Zeit ist entweder zu kurz oder zu lang, alles vergeht wie im Rausch oder zerbrökelt in dieser schohnungslosen Realität. Solange du existirst, kann ich in Frieden sterben. Ich möchte dich einfach auf den Boden legen und dich Stundenlang lieben bis du dich in Luft auflöst. Nächste Woche werde ich Dich in München besuchen.
     
    Dein kleiner Philosoph
    O.K.
     

III
    Einfahrende Züge
    Silvester
    Bier
    Der Lottoschein
    Übelkeiten: Panik, Trotz und Rotz
    Zwiebel-Baby
     
     
    Man schrieb den 30. Dezember und es herrschten frühlingshafte Temperaturen. Es regnete nicht mal, aber es war sowieso nichts wie sonst. Olaf hatte die Kopfhörer seines Walkman übergestülpt und ging mit großen, aber lässigen Schritten über die Steinstraße. Er trug schwarze Jeans, ein weinrotes Hemd und ein dunkles Sakko, das er vor kurzem in einem türkischen Laden erstanden hatte. Seine Haare hatten fünf Tage nach dem letzten Friseurbesuch genau die richtige Länge. Eine hübsche Sechzehnjährige, die gerade entdeckt zu haben schien, wo man diese ausgeflippten schwarzen Klamotten kaufen konnte, starrte Spargel mit großen Augen an. Er konnte die Fragen hinter ihrer Stirn förmlich lesen. Tja, die musste ihre Lektion auch noch lernen. Das hatte er alles hinter sich. Und noch mehr. Verschwende deine Jugend, nicht viele hatten das so gelebt wie er. Zur Jugend gehörte man nun nicht mehr, komisch. Jugend war etwas, von dem man dachte, man besäße es eigentlich noch, weil es zu einem gehörte wie eine Charaktereigenschaft. Dann ertappte man sich eines Tages bei der Differenz, und in dem Moment war´s sowieso vorbei, schon lange. Aber dafür besaß man eben jene Verschwendung, insofern man nicht zu früh den Arsch zusammengekniffen hatte, klar. Darauf konnte man sich was einbilden. Die jungen Wohlstandsscheißer, die jetzt die Bühne betraten, konnten sich weiß Gott auf nichts was einbilden. Sein Mund kräuselte sich selbstzufrieden. Der Blick der Kleinen hatte ihm gutgetan.
    Iss doch schön, König zu sein.
    Seine Uhr zeigte immer noch halb fünf. Der Zeiger wollte sich nicht bewegen, wie es schien, aber er hatte es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Für einen Moment fürchtete er, die ganze Vorfreude und gute Laune, dieses ganze aufwendige Sich-gut-fühlen-Getue, könnten umkippen, wenn er noch länger wartete. Sie kam erst um 17 Uhr fünfundzwanzig an. Mit dem Rheingold. Der gleiche Zug, der ihn nach München gebracht hatte. In wenigen Minuten fährt der Zug in München-Hauptbahnhof ein ... Als er das hörte, waren seine Aufregung und Neugier fast stärker gewesen als die Freude auf Vera. Doch als er sie dann auf dem Bahnsteig stehen sah und wie sie ihm winkte, wusste er: es ist sie. Sie, weshalb er gekommen war, und es würde sehr schön werden. Und es wurde sehr schön.
    Es gehörte zu den spannendsten Momenten in Olafs Leben: Vera vom Zug abholen. Er stand auf Gleis 16 und sah Züge einfahren. Die Menschen, die sie brachten, trugen die Spuren

Weitere Kostenlose Bücher