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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
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anbieten.“
    „Wer heute Arbeit hat, kann froh sein,“ sagte Motte. „Wenne morgens inne Zeitung kuckst, wird dir schwindlig. Fünfhundert da, zweitausend da, viertausend da. Nur noch Zahlen von Entlassenen. Aber das sind Menschen, ej, dahinter stecken Menschen, überlecht euch das mal!“
    „Ham alles die Türken in schuld“, quäkte Migge dazwischen. „Kuck dich um. Überall Türkenköppe. Machsse ein platt, kucken schon wieder zwei umme Ecke. Macht wieder ´n Supermarkt zu, kommt ´n türkischer Gemüseladen rein. Wiene Seuche sind die.“
    Motte verzog das Gesicht. „Jetz hör ma mit den Türken auf, Mann! Die ham überhaupt nix mit dem Thema zu tun. Wenne dir das ma richtig überlegst: Eine Zeche nache andre macht dicht, inne Betriebe, wose nich dichtmachen, Kurzarbeit. Auffe Straße laufen bald nur noch Entlassene rum, wo soll das denn enden? – Kuckt euch ma die Fenster an, ja kuckt ma richtig.“
    Alle blickten verblüfft auf die hohen Wohnzimmerfenster, vor denen ein paar staubige Kakteen in den letzten Zügen standen.
    Hansi: „Hasse schön geputzt, woll?“
    „Nee, die muss ich nich mehr putzen! Iss kein Ruß mehr da. Vor ein paar Jahren noch, da konntesse nach vier Tagen die schwarze Schicht mitte Schaufel runterholen.“
    „Und wennde morgens ´n weißes Hemd angezogen hast, war abends der Kragen schwarz“, erzählte der Spargel. „Das weiß ich noch, weil ich früher sonntags immer ´n weißes Hemd anziehen musste.“
    „So siehße aus!“, meinte Migge.
    „Und dann hat meine Mutter abends immer die Kragen im Waschbecken eingeweicht, aber nur den Kragen, das andere ging noch für einmal.“
    Motte rollte nachdenklich die Bierflasche zwischen seinen Händen und sprach: „Der Ruß iss weg, das iss auch gut so, aber die Arbeit iss auch weg. Hier ändert sich alles.“
    Hansi, der heute ungewöhnlich ruhig und kontemplativ war, ergriff das Wort: „Ich glaub nich, dass sich hier was ändert. Ich glaub das nich. Was soll sich hier denn ändern?“
    Spargel schaltete sich ein, aus irgendeinem Grunde froh darüber, dem Hansi recht zu geben: „Das stimmt. Eima Ruhrpott immer Ruhrpott. Die Schlote sind zwar nich mehr am rauchen, aber da stehnse. Hier ändert sich nix.“
    „Weil der Dreck“, sagte Migge etwas mühsam, „der vererbt sich. Mein Alter, ne, der war früher auffe Zeche. Der kam immer mittem dreckigen Gesicht nach Hause, obwohl ..., obwohler sich vorher sauber gemacht hat. Und kuckt mich an! Ich kann mich waschen so viel ich will, ich seh immer dreckig aus.“
    „Das stimmt“, meinte Horst.
    „Siehße, Dreck vererbt sich.“
    „Nee, du bist einfach nur ne Drecksau, die sich nich wäscht, Migge“, sagte sein Freund. Migge warf einen Kronenkorken nach ihm. Alle lachten. Horst löste endlich seinen Schneidersitz auf und zog seine Schuhe an. Seufzend sagte er: „Das stimmt schon irgendwie, was der Motte sagt. Es iss nich mehr wie früher. Hier wird ein auf Großstadt gemacht, und die Leute, die jetzt auf der Straße stehen, können eigentlich gar nichts damit anfangen. Dann stehnse anner Bude und nur noch am Saufen.“
    „Sachich doch, das sind eben keine richtigen Männer mehr!“, meinte Hansi.
    „Wenn das keine richtigen Männer mehr sind, was seid ihr denn dann? Ihr seid die Söhne.“
    „Ach, und du? Du biss kein Sohn, wa? Du bist ja schon steinalt.“
    „Kann sein.“
    „Söhne!“ Hansis Gesicht rötete sich und die Narbe über seiner Stirn schwoll an. „Söhne, sachter! Mein Alter hat immer malocht, immer brav seine Steuern bezahlt. Jetz isser kaputt, kannße vergessen. Jetz kanner noch nich ma in sein Schrebbergarten rumwühlen, wie er immer wollte, weil er´s anne Pumpe hat. Meinße, das iss ´n Vorbild oder so was? Ich mach das, was ich für richtig halte.“
    „Leute verkloppen.“
    „Nur solche, die´s verdient haben.“
    Motte: „Ej, gut jetz. Jetz redenwer nich mehr über Politik.“
    Hansi lehnte sich zurück und streckte die Beine aus, so dass seine Stiefel die Stiefeletten von Vera berührten. Er lächelte und sah Horst aus kleinen verwaschenen Augen an. „Schade, dasse schon gehst, ich werd ganz traurig.“
    Spargel, der zwei Flaschen Bier getrunken hatte und bei dem das Dope jetzt mit rasantem Herzschlag durch die Venen pulsierte und in seinem Hirn Schaden anrichtete, sagte mit seiner kleinen, albernen Stimm: „Ej, wir wolln uns doch nich streiten. Wir sind doch alle Brüder und Schwestern ...“
    „Spargel, halt ma das Maul!“, fauchte

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