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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
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Jahreswechsel-Kuss gegeben, aber der Spargel hatte mit feierlichen Augenblicken nichts am Hut. War ihm irgendwie peinlich. „Hey, frohes neues Jahr“, sagte er schnell. „Komm wir gehn runter zum Griechen.“
    „Was, da rein?“
    Nur die Familie saß am Tisch und Vera fragte sich, warum die eigentlich noch aufhatten. Die Griechen waren nett, weil Griechen eben nett sind. Der Imbissbesitzer hieß Nicos und stellte den beiden ein Gläschen Ouzo und ein paar kalte Vorspeisen hin. „Was wollt ihr trinken?“
    „Retsina“, sagte Vera, denn mittlerweile war ihr alles egal. Nach dieser Mischung würde sie morgen elend verkatert sein. Zuerst sang der Spargel „Griechischer Wein“ – „Griiichischer Wein, nanana nanaa nanana, griiiechischer Waain ...“ und um zwei Uhr, als Vera zum Gehen drängte, weil sie nicht mehr konnte:
    „Ein Schiff wird koommen, la la laa, lalalaala ...“
     
    Sie war eben so hübsch. Wie ein Blume im wüsten grauen Stahlland, und dem Spargel, der sie nur noch ansah und sie nur noch berühren wollte, ging langsam die Kohle aus, weil er in dem Schwebezustand, in den ihn diese Präsenz plus seine Rauchdose versetzten, sein Geschäft vernachlässigte. Als Geschäftsmann konnte man nicht einfach sagen: Meine Freundin ist da, heute arbeite ich nicht, oder: heute geh ich nicht ans Telefon. Das geht nicht! Das Arbeitsamt hatte ihm eine Vorladung geschickt, man bot ihm eine Umschulung an. Fast war er froh, wenn Vera wieder wegfuhr, er musste sich um so viele Sachen kümmern. Aber alles, was er von jetzt an tun würde, richtete sich auf ein Ziel. Sein Ziel hieß:
    Erstens: Mit Vera zusammen sein.
    Zweitens: So viel wie möglich nach München fahren.
    Der Kram mit den Ämtern ließ sich schon regeln, doch erst kam mal: die Kohle.
    Nur heute noch, der vierte Januar, heute noch mit ihr und bei ihr sein, neben ihr, auch auf und unter ihr, oder sogar hinter ihr. Wenn nur nicht dieser Herzschmerz gewesen wäre, dieses Vorgefühl von trauriger Leere. Es war ihr letzter Tag, trübes Wetter, die Küche verraucht und sie saß ein bisschen angeschlagen auf seiner Couch. Man trank eben zu viel, man rauchte zu viel, man schlief zu wenig, eine Erkältung rückte an, das nahm die gesunde Gesichtsfarbe von ihren prallen Bäckchen, in die man reinbeißen wollte wie in ein ofenwarmes, goldgelbes Brötchen, aber diese leicht verruchte Blässe machte sie noch schöner. Er war stolz auf sie, auf ihre Hübschheit, dass sie Fotografin war und in München wohnte, dass die Frau ihn liebte, stolz auf ihrer beider Gefühle, die er gelegentlich gern mystifizierte, sich selbst und anderen wiederholt unterbreitete. Das half ihm, etwas Flüchtiges festzuhalten, denn darum handelte es sich ja letztendlich – um nichts anderes als ein unbestimmtes Gefühl am seidenen Fädchen, jeden Moment kann es zerreißen, noch bevor man begreift, dass es Einbildung war.
    Er wollte sie überallhin mitnehmen, sie vorzeigen, diese schöne Blume, durch die Straßen schlendern, bei ein paar Leuten vorbeigehen, sie an seiner Seite, sich gut fühlen. Erst jetzt, nachdem er sie vor anderen und mit anderen zusammen verleugnet hatte, gab es nichts mehr als sie, sie und seine Gefühle. Er probierte diese Gefühle, genoss sie, experimentierte mit ihnen. Er nahm mehr davon, als die Packungsbeilage empfahl.
    „Lass uns ma beim Motte vorbeigehen“, schlug er vor, weil beim Mottevorbeigehen etwas war, was man einfach machen konnte, auch mit Vera. Es hatte so was von gemütlichem Fernsehabend. Obwohl sie sich da diesmal täuschten.
    Der Motte war natürlich da, wie immer, und freute sich. Im Wohnzimmer saßen Frank und Horst traut nebeneinander und redeten über Kräuter. Man begrüßte sich mit freundlichem Kopfnicken und Handgehebe.
    „Gut, dass ihr kommt“, sagte Motte, „die reden gezz eine Stunde über Magenbeschwerden. Da wird man selber noch krank von. Hört bloß auf damit!“
    „Mann ej, ich darf kein Bier mehr trinken! Die nehmen mir meine ganze Lebensgrundlage.“
    Vera setzte sich auf die niedrige, mit braunem Cord überzogene Couch, ein Schätzchen aus den Siebzigern, von wo aus man einen freien Blick auf die Schrankwand in Eiche hatte. Beim Motte fühlte man sich wie in andere Zeiten versetzt. Es kam einem vor, als wären die Eltern nicht da und ein paar Freunde hätten sich im Wohnzimmer eingefunden.
    Vera wollte locker sein. Sie wandte sich an Frank: „Wieso darfst du denn kein Bier mehr trinken?“
    „Das weiß ich noch nicht genau,

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