Revierkönige (German Edition)

noch und säufst Tee wie dein Bruder Horst.“
    „Nee, nur beim Arbeiten trink ich nich.“
    Hansi lachte nicht. „Und ich dachte schon, bei der ganzen Kifferei trinkße nix mehr. Aber dann iss ja gut.“
    Horst, der überhaupt keine Anstalten machte zu gehen oder seinen Schneidersitz aufzulösen, sagte: „Ach komm, Hansi, ihr zieht doch selber gerne an der Tüte, jetz tu ma nich so.“
    Migge, dessen Blick von der Dackelvisage zu Veras Busen geschwenkt war und dort lange und intensiv verweilte, und immer noch dort verweilte, obwohl er längst wusste, dass die keinen BH drunter hatte, rappelte sich auf. „Jau! Wer baut denn hier ma ein?“
    „Hasse was dabei?“, fragte Horst.
    „Nö.“
    „Ich hab was“, sagte Spargel schnell.
    „Lassma, nehm von mein“, sagte Motte und warf ein Kügelchen auf den Tisch. Horst ließ sich herab und baute in den folgenden Minuten ein kunstvolles Ding, das Ähnlichkeit mit einem Flugzeug hatte.
    „Dat kannsse ja“, sagte Migge, der fasziniert zusah. „Muss man dir ja lassen, Hoarst. Aber ma so richtig auffen Tisch haun, dat kannsse nich.“
    „Wozu soll ich das können?“
    „Sach ich doch. Und ein ma so richtig ein geben, kannsse aunich, wa? Hau mich ma ein inne Fresse.“
    „Bin doch nich lebensmüde.“
    „Dir passiert doch nix, Mensch! Mach doch ma, hau mich ma ein rein. Ich will nur ma sehn, obbe so was kannss.“
    „Migge, ich bin dafür nicht begabt. Inne Fresse haun und brave Bürger erschrecken, das iss eure Sache.“
    „Nich brave Bürger, so was machenwer nich. Nur Untermenschen.“
    „Wo haste das denn aufgeschnappt? Du weißt doch gar nicht, was das bedeutet.“
    „Ausländer. Kümmeltürken.“ Migge grinste in die Runde. Hansi war auffällig ruhig und stierte Vera an. Er saß so breitbeinig im Sessel, dass man, wenn man wollte, direkt auf sein eng mit Stoff umspanntes Gemächte blickte. Vera machte sich klein und trank schnell ihr Bier. Sie fror ein bisschen, aus Schlafmangel und weil Olaf neben ihr war und sie seinen Körper spürte und daran dachte, dass sie miteinander schlafen würden, wenn sie nach Hause kämen. Sie fühlte sich auch nicht so ganz wohl hier. Sie nahm ihre Schachtel Zigaretten vom Tisch.
    „Hasse vielleicht ne Camel für mich?“, fragte Hansi.
    „Klar. Hier, bedien dich.“
    „Danke.“ Er zündete sich die Zigarette an, ließ den Rauch langsam durch die Nasenlöcher austreten und sah die Frau an. Da hatte der Spargel ja was anner Angel.
    Migge beugte sich nah zu Horsts Ohr. „Kümmeltürken, Kümmeltürken, oi oi oi.“ „
    Migge!“ Motte wurde ungehalten und Olaf bekam ebenfalls den Eindruck, einschreiten zu müssen. „Das Arbeitsamt hat mich angeschrieben“, sagte er. „Ej, die wolln mir ne Umschulung andrehen. Industriekaufmann oder so was. Überlegt ma. Kann denen doch nich sagen: nee danke, ich bin schon Kaufmann.“
    Es wollte keiner lachen, nur Vera kicherte und Horst schmunzelte.
    „Wenn die dir das schreiben, musse das auch machen. Sonst zahlense dir nix mehr“, sagte Motte, der sich auskannte. Motte kuckte auch jeden Abend Nachrichten und las jeden Tag in der Frühstückspause die Rundschau.
    „Die könn mich doch nich zwingen, auf son Bürojob umzuschulen. Ich bin Schreiner!“
    „Aber wenn se nix finden für Schreiner, musse umschulen, Spargel, das iss so.“
    Hansi verzog angewidert die Lippen. „Was beklagße dich eigentlich? Kriegst jeden Monat deine Kohle und muss nichts andres machen als nochma Schulbank drücken. Dir geht´s zu gut. Dich möcht ich ma auffem Bau sehn. Aber da könnse dich ja schomma nich hinschicken. Iss nur was für echte Männer.“
    „Wie du“, meinte Horst, zog am Joint und reichte ihn an Migges gierige Finger weiter.
    „Ja und? Was dagegen?“
    Horst schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht. Wir brauchen wieder so harte Männer, echte Kerle.“
    „Na hoffentlich meinsse das auch so.“
    „Ich schwör´s bei den Holzdielen vom Opossum.“
    „Ej, ej!“ schaltete Motte sich ein und hob beschwichtigend die Hand, das reichte vorerst. Dann nahm er einen großzügigen Schluck aus der Flasche, ließ aber seine Gäste dabei nicht aus den Augen.
    „So schwach auffer Brust bin ich ja auch wieder nich“, sagte Spargel. „Aber wer versucht nicht, mit dem kleinsten Aufwand das Beste rauszuholen? Manchmal muss man sich kooperativ zeigen, damit die nich auf blöde Gedanken kommen. Du würdest auch nich auffem Bau malochen, wennse dir für das gleiche Geld was andres