Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
Vom Netzwerk:
Hansis wackligstem Küchenstuhl umfiel. Spargel kriegte das gar nicht mit, weil der sich gerade angeregt mit Migge und Skin-Tom, der irgendwann eingelaufen war, unterhielt. Dafür war Hans-Joachim Köster ganz schnell zur Stelle und fand endlich Gelegenheit, mal hinzulangen. Mal kucken, wie sich so was anfühlte. Fühlte sich gut an. Und Vera, die machte überhaupt nichts, sagte nicht mal was, oder bekam die das gar nicht mehr mit? „Hasse dir wehgetan?“, fragte Hansi fürsorglich und hätte sie gern auf die Matratze gelegt. Ja, auf seine durchgelegene, verschwitzte Matratze, auf die stinkige Bettwäsche, aber er hätte sich mit dieser Frau ehrlich richtig Mühe gegeben. „Geht schon“, sagte sie, hielt sich den Kopf und lächelte tapfer unter Schmerzen. Der kleine Unfall hob die freudige Benebelung auf und holte sie ein Stück in die Wirklichkeit zurück. Sie mussten endlich gehen, morgen früh um zwanzig vor zehn fuhr ihr Zug. Es kam zwar ein bisschen Scheiß-egal-Stimmung auf, dieses Hadern mit der Unvernunft, die mehr auf der Seite des Gefühls, des Herzens, stand und einem einzureden versuchte, morgen einfach nicht zu fahren, nicht das zu tun, was man tun sollte. Aber auch Kopfschmerzen von ungefähr drei Litern Bier und zwei Schachteln Zigaretten machten sich bemerkbar, das ging alles zu weit, so was durfte sie nicht machen.
    Erst hatte sie den Saustall hier echt interessant gefunden. Olaf raunte ihr unterwegs zu, dass sie sich auf etwas gefasst machen müsse. Man warf sich noch verschwörerische Blicke zu. Wir, das Gespann, wir zwei, endlich einer Meinung im Einssein. „Schade, dass ich meine Kamera nicht dabei habe“, murmelte sie, als sie die Wohnung von Hans-Joachim Köster betraten. Der Fernseher lief. „Hast du den immer an, wenn du nicht da bist?“
    „Meistens. Iss wenigstens einer zu Hause, wenn man zurückkommt.“ Hansi, stoned und gar nicht mal schlecht drauf, hatte ein komisches Gefühl, als ob etwas nicht stimmte. Da er die Ursache nicht fand – es sei denn bei ihm in der Birne stimmte was nicht –, vergaß er es zeitweilig wieder. War ja genügend Ablenkung da. Gegen elf klingelte es und ein riesiger, massiger Typ kam rein, der schien einem Horrorfilm entsprungen zu sein. Veras Blick fiel sofort auf eine blutige Schramme, die auf dem kahlen Kopf leuchtete.
    „Ja wen hamwer denn daaa? Spargel, du alte Sau!“, rief er und Spargel: „Der Tom!“ Es war eine Freude.
    Tom zauberte eine Flasche Wodka aus seiner Bomberjacke und stellte sie auf den Tisch.
    „Was hass du denn da am Kopp?“, fragte Migge.
    „Hab mich beim Glatzerasieren geschnitten.“
    Es gab was zu lachen. Vera lachte weniger, versuchte aber ihr Bestes. Vorm Hansi hatte sie jetzt keine Angst mehr, es nervte nur, dass er ständig in ihrer Nähe war und ihren Sicherheitsradius überschritt. Und Migge, der war eigentlich ganz lustig. War doch alles gar nicht so schlimm. Oder? Das Andere, die anderen Sachen da, an die brauchte man ja nicht dauernd zu denken.
    Als die Wetterkarte im Fernsehen kam, glotzten alle wie gebannt, Gespräche brachen ab, Stimmen verstummten, als ob man gerade die Nachricht vom Kriegsausbruch vernommen hätte. Die Temperaturen sollten morgen auf 14 Grad ansteigen, aber über England lag schon wieder die Nasskalt-Front auf der Lauer und würde in spätestens zwei Tagen Westdeutschland erreichen. Spargel dachte: Nächsten Monat fahr ich nach München. Dann kam die ewig blonde Karin Ludwig-Tietze oder Tietze-Ludwig und Hansi suchte verzweifelt nach einem Stift und fand gerade noch Zeit, sich die Lottozahlen auf das Etikett von der Bierflasche zu schreiben. Das „Wort zum Sonntag“ stellte er dann wieder leiser und um halb zwölf begann ein Film, in dem es die ganze Zeit regnete und einer nach dem anderen abgeschlachtet wurde. Der böse Serienmörder sah diesem Tom verdammt ähnlich. Migge: „Kumma! Hapter das gesehen? Mitem Koakenzier spießter dem die Hand auf. Geil!“
    Gegen halb eins fiel Vera dann mit dem Stuhl um. Sie wollte kein Bier mehr und auch nicht mehr rauchen, alle ihre Sünden fielen ihr ein, es musste gehandelt werden. Ihr war schlecht und sie wusste, dass sie nun richtig betrunken war. Auch Olaf war betrunken. Die letzte Nacht, wie schade, wie schade. Hansi strich ihr über den Rücken, das wollte sie nicht, Migge zerdrückte eine glimmende Kippe in seiner Faust und Skin-Tom schob sich einen karierten Hemdsärmel nach oben und zeigte Olaf sein Stahlhelm-Tattoo.
     
     
    Der nächste

Weitere Kostenlose Bücher