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Revierkönige (German Edition)

Revierkönige (German Edition)

Titel: Revierkönige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Gerlach
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Tag war ein Sonntag. Während Vera um viertel nach elf die zwei Aspirin zusammen mit einem Liter Flüssigkeit durch das zugige Loch im Klo auf die Bahnschwellen kotzte, schlief Olaf Keune seinen Rausch aus. Es machte nicht den Eindruck, als ob in diesem jungen Jahr irgendwas anders werden sollte, hier jedenfalls schien alles beim Alten zu sein. Um dieselbe Zeit telefonierte Motte mit Monika und machte ihr einen Vorschlag, der Freese saß in einem Café in der Kölner Innenstadt und dachte nach, der Bert brühte Tee zum Frühstück auf, Frank Diepenbrock las „Das Parfüm“ und ließ die Selbstgedrehte ausgehen, und Skin-Hansi holte sich lustlos einen runter. Es war nicht alles wie immer.
    Hans-Joachim Köster, nicht gerade eine Ausgeburt an Sensibilität, merkte es zuerst, deshalb hörte er auch mit der unsinnigen Schrubbelei auf und erhob sich von seiner Matratze. Er hatte ja schon gestern Abend das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte und mit dem gleichen Gefühl war er heute aufgewacht. Er duschte, zog sich bequeme Klamotten an und öffnete den Kühlschrank. Er hatte Kohldampf. Leberwurst war noch da, ein halbes Stück Butter, Salami, Milch. Er holte alles raus und drehte sich um. Ihm war, als würde ihn jemand beobachten. Was war bloß los? Was hatte der Spargel da für´n Dope? Konnte ja nichts anderes sein als die Nachwirkung von dem Zeug. Er öffnete ein Netz mit vier Gummibrötchen (sie waren nicht wirklich aus Gummi, schmeckten aber so und wenn man reinbiss, zog sich die Masse in die Länge, bis sie irgendwann mit einem Ruck auseinanderriss, wobei der Kopf unsanft nach hinten fiel) und bestrich drei davon mit Butter und Leberwurst. Er setzte sich an den Tisch, schob den Müll von gestern beiseite und begann zu essen. Dann sah er, irgendwie von oben, wie er am Tisch saß, sah den Müll auf dem Tisch. Er sah sich einsam kauen und seinen Hunger und sah, dass ihm diese dick beschmierten Brötchen schmeckten und dann bekam er es mit der Angst. Habbich Halluzinationen, oder wat iss hier los? Er fasste sich an die Stirn. Ne, Fieber hatte er nicht. Er stellte den Fernseher ein. Er sah: die letzte halbe Stunde von einem Heinz-Rühmann-Film, Sequenzen von verschiedenen Reportagen (Pflanzen, Tiere, Kinder), Mainzelmännchen, die hundertsechsundfünfzigste Folge einer Familienserie. Es war halb fünf, Nachmittag. Er nahm das letzte Brötchen und belegte es mit Salami. Dann kam ein Abenteuerfilm mit Burt Lancaster, bei dem er fast eingeschlafen wäre und irgendwann waren wieder Lottozahlen zu sehen: 26, 36, 8 ..., Zusatzzahl. Wo war der Schein? In der Jeans, die er gestern anhatte, war er nicht. Er rannte in den Flur, wo die Bomberjacke hing. Er zog ihn aus der Innentasche. 26, ja, 8 auch, 36, drei Richtige ..., was noch? War da nicht noch die 15? Da kam schon wieder Werbung – „Schönes Haar ist dir gegeeben, lass es leeben ...“ sangen die, es war zum Verrücktwerden. Er sah auf seinen Lottoschein. Also drei oder vier hatte er bestimmt richtig, da gab´s doch schon was für. Auf einmal erinnerte er sich. Er wühlte zwischen den leeren Bierflaschen neben der Spüle bis er die mit den Lottozahlen auf dem Etikett fand. Er setzte sich und steckte sich das letzte Stück Brötchen in den Mund. Er kaute, aber die Masse wollte sich nicht erweichen. 8 15 26 36 45 2, Zusatzzahl ... Auf seinem Schein waren die gleichen Zahlen angekreuzt. Er spuckte den feuchten Brötchen-Salami-Brocken auf den Tisch.
    „Das gibt´s doch nich!“ Jetz ma ruhig, dachte er, so was gibt´s einfach nich. Noch mal. Die ham sich vertan.
    Hatten sie nicht. Die Zahlen stimmten und Hansis auch. Er stierte vor sich hin, dann nach draußen, auf das Stromkabel neben dem Fenster, auf den Sessel, über dem ein Pulli hing, der nicht seiner war, er sah alles gleichzeitig, er sah die Wände, seine Arbeitskollegen, seine Freunde und sich selbst in Sekundenschnelle vor sich, ganz klar, als würde er sterben.
    „Scheiße Mann! Ich hab im Lotto gewonnen! Ich, Hans-Joachim Köster, hab im Lotto gewonnen.“
    Es war diesmal nicht übermäßig viel im Jackpot, aber immerhin eine Summe von 1,1 Millionen Demark.
     
     
    Die Zeit überbrücken, Zeit bis, immer nur Zeit bis. Anders als bekifft oder auf Acid war es nicht mehr zu ertragen. Es – die Stadt, die Dummheit, die Hässlichkeit, das große Nichts, die Unerträglichkeit, er hatte viele Begriffe dafür, wenn es ihn anfiel, wenn ihn sogar die Gedanken an das Schöne lähmten. Das Dilemma fing schon an,

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