Revierkönige (German Edition)
umgebenen Studio-Terrasse, an die sich ein Hinterhof anschloss. Mittags kochte Olaf meistens in der kleinen Küche für alle drei, manchmal hingen noch zwei, drei Leute mehr herum und aßen mit, Bekannte von Bruno, Freunde und Schmarotzer. Olaf hatte ja sonst nichts zu tun. Im Studio sein und sich ein bisschen nützlich machen, das war in Ordnung, machte er gerne. Außerdem war Vera in letzter Zeit schlecht drauf. Sie hatte wenig Aufträge und geriet wegen der laufenden Kosten in Stress. Oder warum auch immer sie sonne Fleppe ziehen musste. Manchmal war es nicht mit anzusehen.
„Dann übernehme ich ebent diesen Monat die Miete“, sagte Olaf an einem heißen Tag Ende Juli und warf Nudeln, heute nur für zwei Personen, in siedendes Salzwasser. Es schäumte im Topf.
„Ach“, machte sie verächtlich. „Darum geht´s doch nicht.“ Rote Wolken bildeten sich um ihre hohe, glatte Stirn, ihr Blick war finster, stand ihr nicht. „Wie lange willst du eigentlich noch hier oben beim Bruno rumhängen?“, fragte sie auf einmal.
„Was meinst´n damit?“, fragte er scharf zurück.
„Genau das.“
Er grinste böse in sich hinein. „Gibt´s sonst noch was, was dir nicht passt?“
„Oh ja, aber das würde jetzt zu lange dauern“, sagte sie und ging einfach raus. Sie ging wirklich raus, weg. Nach einer halben Stunde war sie immer noch nicht zurück. Olaf saß da vor einem Haufen zerkochter Nudeln mit Zucchini-Sauce, die ihm sehr gut gelungen war. Das war echt ne Frechheit. Was erlaubte die sich eigentlich? Er warf das ganze Essen in den Abfalleimer, spülte seinen Teller und die beiden Töpfe und ging raus.
Er wanderte ein paar Stunden ziellos durch die Straßen, setzte sich in ein langweiliges Café und kehrte endlich ins Appartement zurück. Sie war da, hatte geheult, man sah es an den verschwollenen Augen und der roten Nase. Erst war er noch ein Weilchen sauer, aber dann ging man früh und einträchtig ins Bett. Man würde schon eine Lösung finden, vielleicht war ihre Periode im Anmarsch oder so was. Sie war dann ja auch mit allem einverstanden. Er würde einen Monat, notfalls auch zwei Monate, die volle Miete übernehmen, war doch klar. Es war schön, dass man für jemanden da sein konnte, dafür hatte man sich doch, warum begriff sie das nicht?
Dann ging der Sommer zu Ende und mit ihm die Ersparnisse. Vom Arbeitsamt war gerade auch nicht viel zu erwarten, weil er die vorgeschlagene Umschulung mit der Begründung verweigert hatte, dass ihm aus seiner Schulzeit traumatische Erlebnisse anhafteten und dass er sich Prüfungsstress nicht gewachsen fühle. Er wäre aber jederzeit bereit, eine gute Arbeitsstelle anzunehmen, fügte er noch hinzu. Er wollte sich so kooperativ wie möglich zeigen. Als Vera den Brief auf ihrer Schreibmaschine ins Reine schrieb und korrigierte, lachte sie, so etwas könne man doch nicht schreiben.
„Warum nicht?“, meinte Olaf, „ich will eine gute Arbeitsstelle, das steht mir zu. Das verlange ich ebent, wenn die wollen, dass ich mich wieder in die Gesellschaft eingliedere und Steuern zahle.“
Na ja, von staatlicher Seite kam erst mal nichts und jetzt wurde das Gefühl, dass sich etwas bewegen müsse, immer drängender. Er wachte morgens schon leicht depressiv auf, betonte aber, dass er sich noch gut im Griff habe. Man hatte ja so seine Erfahrungen. Lebenserfahrungen.
Es ging nicht nur ums Geld, auch wenn der Gedanke daran wie ein Parasit in einem saß und die Ratlosigkeit größer machte. Er konnte nicht definieren, was es war. Er trug eine innere Unruhe mit sich herum. Er suchte etwas. Ende August nahm Olaf Keune einen Job in einer Kneipe an, weil er bald wegfahren wollte. Der Motte hatte nämlich angerufen und wollte wissen, wie es so ging, und schönen Gruß von Horst und Frank, und der Freese sei auch schon auf Besuch gewesen. Und Olaf freute sich so richtig, als er den Motte hörte. Da meinte Vera: „Warum fährst du nicht mal hoch?“ Ja klar, warum eigentlich nicht? Vielleicht war es das, was ihm fehlte. Ein kleiner Abstecher in die alte Heimat.
Also verdiente er sich ein bisschen Geld, hörte aber zwei Wochen später schon wieder auf. „Ich lass mich doch nich zum Sklaven machen für die paar Kröten“, meinte er. Außerdem käme er mit den Leuten nicht so richtig klar. Er durfte gar nicht dran denken, dass er mal an einem Tag das verdient hatte, wofür er jetzt fünf Tage lang schuften musste. Dann hatte Bruno ihm einen Schreinerjob vermittelt. War zwar nicht
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