Revierkönige (German Edition)
höflich. Er stellte höfliche Fragen, er sagte immer das Richtige, ein vollendeter Gastgeber.
Gegen halb sieben gab´s eine Krise. Man saß beim Aperitif, als es klingelte. Veras Mutter sprang auf. „Das sind die Hubers!“
Olaf erstarrte und raunte Vera zu: „Ej, sach nich, da kommen noch Leute! Ich dachte, wir sind mit deinen Eltern alleine.“
„Dachte ich auch, aber ist doch nicht schlimm. Die sind ganz nett.“
„Oh nee, da hab ich ja überhaupt kein kein Bock drauf! Ej, ich will hier weg.“
„Was redest du denn da? Wir können doch jetzt nicht gehen.“
„Bitte! Ich will weg. Ej, ich halt das nich aus, ich halt das echt nich aus!“
„Was ist denn mit dir los?“ Olaf verschloss sein Gesicht. Vera heulte fast. „Jetzt sei doch nicht so, es klappt doch alles. Wir essen und dann hauen wir sofort ab, ja?“
Er nickte. Sie ging raus. Er blieb zurück, wie ein Verdammter. Dem Spargel war schlecht, er bekam Beklemmungen und schweißige Panikattacken. Er setzte sich in einen weißen Ledersessel, der in einer Ecke des Wohnzimmers stand. Auf dem Glastisch neben ihm stand ein Tablett mit Gläsern und einer Flasche Cognac. Er schüttete sich etwas in sein Glas. Schmeckte gut, weich. Wenn er bloß was zu rauchen dabei gehabt hätte, das wär´s gewesen, da hätte er das Ganze lockerer sehen können.
Bevor Olaf Keune genötigt wurde, sich in die Drei-Paar-Konstellation einzufügen und sich wie jeder normale Mensch zum Essen hinzusetzten, sagte Veras Vater: „Schmeckt Ihnen der Cognac? Von dem trinken wir normalerweise bei besonderen Gelegenheiten. Ist ein Lheraud, 30 Jahre alt.“
Bei Tisch ging es besser als erwartet. Die Aufmerksamkeit verlagerte sich, verwischte in den Gesprächen. Die Hubers gehörten zu den gut erhaltenen Sechzigjährigen, die bereitwillig lachten, an allem interessiert und aufgeschlossen sein wollten. Geflissentlich überhörten sie die grammatikalischen Schnitzer, die ihm unterliefen. Och, war doch ganz nett der Freund von der Vera.
Zwei Wochen später sagte er zum Motte: „Das Haus, das hättesse sehen müssen, alles vom Feinsten, total modern. Aber der Typ iss echt ätzend. Ich fahr da jedenfalls nich mehr hin. Das tu ich mir nich an.“
Jetzt, während er erzählte, konnte er in seinen eigenen Übertreibungen schwelgen und über die Geschichte lachen. Sie saßen ja schon eine Weile in Mottes Wohnzimmer und rauchten, da löste sich alles Mögliche. Allein vom Dunst, der in diesem Raum hing, wären zehn Leute high gewesen. Dem Spargel schwindelte. „Mann ej, ich bin gar nichts mehr gewöhnt. Aber das Dope iss gut.“
„Na ja, aber denk dran, Spargel“, sagte Motte, der aufmerksam zugehört hatte. „Das sind nun ma Veras Eltern. Wenn man sonne Beziehung hat, dann muss man auch ma was machen, was einem nich gefällt. Das iss vielleicht nich immer einfach, aber jeder muss eben was beitun.“
„Da mach dir mal keine Sorgen. Ich bringe glaub ich von meiner Seite genug ein. Ich würde sogar sagen, mehr als ich zurückbekomme.“
„Und wenn schon. So rechnet man nich. Sonne Frau läuft dir nich jeden Tach übern Weg. Bleibma bei der.“
„Ja klar, Mann! Ich will ja auch gar nichts aufwiegen. Ich versuche, ein guter Junge zu sein.“
Mit Martina war es nett, unkompliziert eben. Aber das hatte ja jetzt damit nichts tun. Am zweiten Tag war der gute Junge bei ihr gewesen und dann hatten sie schön beim Griechen was gegessen, kriegten aber erst gar nichts runter, weil sie total stoned waren und dauernd lachen mussten, als hätten sie zum ersten Mal Gras geraucht. Martina hatte diesen trockenen Humor, verstand sich mit dem Spargel-Humor, und der Spargel-Humor fuhr zu Höchstleistungen auf, wenn man ihn nur gewähren ließ. In ihm war eine treibende Kraft, die – wie es schien – nach einer längeren Auszeit wieder hervorbrach und sich in allerhand Albernheiten entlud. Das konnte überborden und zum Wahnsinn führen, bis nichts mehr ging und das Spaßobjekt zerplatzte. Sie saßen in einer Nische, in dem der penetrante Geruch von Gyrosgewürzen hing, Spargel zog Grimassen. Im warmen Licht des herunterhängenden Porzellanschirmes konnte er die erweiterten Poren unter ihrer gepuderten, kräftigen Nase sehen, ihre Haare, seit 1982 immer gleich. Nicht so hübsch, nicht außergewöhnlich, aber wirklich nicht hässlich. Etwas, was man fast zu gut kannte, aber doch gern wiedersah. Er saß hier außerhalb jeglicher Kontrolle, ein unruhiges Flackern um seine Augen. Er war
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