Revolte auf Luna
muß leider sagen, daß er sterbend über ihnen lag,als ich ihn fand...«
»Ja, das wissen wir.«
»Richtig. Dulce et decorum. Der dritte Mann war im Gesicht verletzt, konnte sich aber noch bewegen; ich habe seinen Hals mit dem Istanbul-Twist massiert. Damit waren alle erledigt. Inzwischen waren die meisten Überlebenden bereits gegangen -wir hatten vier Tote, Manuel -, und ich war mit Finn Nielsen, der die Versammlung geleitet hatte,und einer Genossin allein, die von ihren Ehemännern, die ebenfalls anwesend waren, >Mom< gerufen wurde. Ich beriet mich mit Kamerad Finn, und wir schlossen alle Türen ab. Nun mußten wir noch aufräumen. Kennst du dich dort hinter der Bühne aus?«
»Nein«, antwortete ich. Wyo schüttelte den Kopf.
»Dort befindet sich eine große Küche, weil der Saal auch für Festessen und dergleichen benutzt wird. Ich habe den Verdacht, daß Mom und ihre Familie einen Fleischerladen führen, denn sie haben die Leichen fast so schnell reduziert, wie Finn und ich sie nach hinten schleppen konnten. Die Überreste wurden in die Kanalisation gespült. Der Anblick war etwas zuviel für meinen Magen, deshalb habe ich draußen im Saal geputzt. Die Kleidungsstücke, besonders Uniformteile, waren am schwersten zu beseitigen.«
»Was habt ihr mit den Waffen angefangen?«
Prof warf mir einen verständnislosen Blick zu. »Waffen? Du lieber Gott, sie müssen irgendwie verschwunden sein.Wir haben nur das persönliche Eigentum unserer toten Kameraden zurückbehalten -zur Identifizierung und für die Erben. Schließlich war alles einigermaßen aufgeräumt; Interpol hätte sich davon nicht täuschen lassen, aber niemand wäre gleich auf den Gedanken gekommen, daß sich hier etwas Unerlaubtes abgespielt hatte.
Wir waren uns darüber einig, daß es besser wäre, für die nächste Zeit unterzutauchen, und verließen den Saal auf verschiedenen Wegen. Ich selbst bin durch eine Tür hinter der Bühne in den sechsten Stock hinaufgeklettert und habe seitdem versucht, euch beide zu erreichen. Damit ist meine Geschichte zu Ende. Ich habe die Nacht an einem ruhigen Ort verbracht.«
»Prof«, sagte ich, »die Gelbjacken waren noch nicht lange hier auf Luna,sonst hätten wir nie gesiegt.«
»Vielleicht«, stimmte er zu. »Aber ich behaupte trotzdem,daß wir unter allen Umständen siegreich geblieben wären.«
»Warum? Sie waren bewaffnet.«
»Richtig, aber du darfst nicht vergessen, daß sie allein einer ganzen Horde gegenüberstanden. Sie hatten keine Chance gegen uns, das kannst du mir glauben. Unser Oberbonze hat sich in diesem Fall gründlich verrechnet.«
»Hmmm. Hast du heute morgen eine Zeitung gelesen, Prof?
Oder eine Nachrichtensendung gesehen?«
»Ja, ich habe die Nachrichten gesehen.«
»Gestern abend wurde unsere Versammlung nicht erwähnt.«
»Heute morgen auch nicht« stellte der Professor fest.
»Seltsam«,meinte ich.
»Was soll daran seltsam sein?« fragte Wyo. »Wir sprechen nicht davon -und unsere Kameraden sitzen in allen Zeitungsredaktionen auf Luna.«
Prof schüttelte den Kopf. »So einfach ist die Sache wieder nicht, meine Liebe. Es handelt sich um das alte Problem der Zensur. Ist dir klar, wie unsere Zeitungen hergestellt werden?«
»Nicht ganz.Jedenfalls von den Maschinen.«
»Prof will damit sagen, daß die letzte Stufe auf dem Weg zwischen eingelaufenen Meldungen und der fertigen Zeitung der Verwaltungskomplex ist, wo ein Computer den Druck steuert.« Ich hoffte, daß Wyo merken würde, daß ich nicht >Mike<, sondern >ein Computer< gesagt hatte. »Auf dieser Stufe setzt die Zensur ein. Der Gouverneur kann den Inhalt der Zeitung kontrollieren; das gilt auch für alle anderen Nachrichtenverbindungen von und nach Luna, die ebenfalls durch den Computerraum laufen.«
»Wichtig ist nur, daß der Gouverneur die Meldung unterdrücken könnte«, fuhr Prof fort. »Und er hätte auch einen Bericht einschieben lassen können, selbst wenn unsere Kameraden in den Zeitungsredaktionen sich bemüht hätten,ihn zu streichen,nicht wahr, Manuel?«
»Richtig«, stimmte ich zu. »Im Verwaltungskomplex kann alles geändert,gekürzt oder gestrichen werden.«
»Und das ist der schwache Punkt unserer Bemühungen,Wyo«, erklärte Prof ihr. »Die Gelbjacken sind nicht weiter wichtig -viel wichtiger ist in diesem Fall, daß der Gouverneur bestimmen konnte, ob die Meldung veröffentlicht werden sollte. Für Revolutionäre sind gute Nachrichtenverbindungen eine Voraussetzung des Erfolgs.«
Wyo warf mir einen
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