Revolte auf Luna
einige Mitglieder per Telefon angeworben; der zweite Angehörige ihrer Zelle war >Kamerad Clayton«, der nicht nur von Mike genehmigt worden war, weil sein Name in der Akte Zebra fehlte, sondern auch noch in Wyos Achtung stand.
Aber Telefongespräche konnten den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Hongkong hätte unsere stärkste Bastion sein müssen.
Die Stadt war weniger von der Verwaltung abhängig, weil ihre Wasser und Energieversorgung nicht vom Komplex aus kontrolliert wurde; sie war (bisher) unabhängiger gewesen, weil eine direkte Verbindung zum Katapult fehlte,die Lieferungen dorthin erst verlockend machte; sie war finanziell stärker, weil die Banknoten der Bank von Hongkong Luna mit Gold gedeckt waren und überall bereitwillig als Zahlungsmittel akzeptiert wurden, was man vom Dollar der Verwaltung nicht behaupten konnte.
Hongkong hätte folglich eine unserer besten Stützpunkte sein müssen. Aber das war bisher nicht der Fall. Wir hatten beschlossen, daß ich dorthin reisen und mich einigen zu erkennen geben sollte, da die Identität eines Einarmigen ohnehin nicht leicht zu verbergen war. Damit gingen wir ein Risiko ein, denn mein Fall würde auch Wyo, Mum, Greg und Sidris mitreißen. Aber wer behauptete, daß Revolutionen ungefährlich waren?
Kamerad Clayton war zu meiner Überraschung ein junger Japaner -nicht mehr zu jung, aber sie sehen alle jung aus, bis sie plötzlich altern. Clayton stammte nicht von Sträflingen ab; seine Vorfahren waren mit einer Pistole im Rücken >freiwillig< an Bord eines Schiffs nach Luna gegangen, als Großchina seinen Machtbereich ausdehnte und konsolidierte. Aber er war trotzdem in Ordnung und haßte den Gouverneur wie jeder alte Sträfling.
Durch seine Vermittlung lernte ich in den nächsten Tagen mehrere wichtige Persönlichkeiten kennen, denen ich als Kamerad Bork vorgestellt wurde. Ich war gut vorbereitet nach Hongkong gekommen und sprach immer wieder über das gleiche Thema: die Hungersnot des Jahres 2082 -also in sechs Jahren. Dabei betonte ich jeweils, daß Hongkong das gleiche Schicksal drohte, und fügte einfach hinzu: »Mehr wollte ich euch nicht sagen, Kameraden. Überprüft das Zahlenmaterial selbst; ich lasse es euch hier.«
Mit einem Kameraden unterhielt ich mich später nochmals privat. Ein chinesischer Ingenieur, der etwas genau untersuchen darf, kann es meistens auch nachbauen. Ich fragte diesen Mann, ob er je eine Laserpistole gesehen habe, die sich wirklich am Gürtel tragen ließ. Er verneinte.Ich sprach davon, daß die Paßkontrollen es heutzutage schwierig machten, etwas zu schmuggeln. Er antwortete nachdenklich, Juwelen dürften nicht allzu schwierig sein und er wolle nächste Woche ohnehin nach L-City, um seinen Vetter zu besuchen. Ich versicherte ihm, daß Onkel Adam sich freuen würde, von ihm zu hören.
Die Reise nach Hongkong war insgesamt gesehen sehr erfolgreich, und ich kehrte in bester Laune nach Luna City zurück. Auf dem Nachhauseweg von der Station Süd warf ich einen Blick in Richter Brodys Geschäftslokal, um ihm guten Tag zu sagen. Brody und ich sind alte Freunde; wir haben eine Amputation gemeinsam. Nachdem er sein Bein verloren hatte, ließ er sich als Richter nieder und war ziemlich erfolgreich; damals gab es jedenfalls keinen zweiten Richter in L-City, der nicht nebenbei Buchmacher oder Versicherungsmakler war.
Brody war eben fortgegangen und hatte nur seinen schwarzen Zylinder auf dem Tisch zurückgelassen. Ich wollte wieder hinaus, aber in diesem Augenblick drängten mehrere Stiljagis herein. Sie hatten ein Mädchen bei sich und brachten einen älteren Mann mit.
Er wirkte zerrauft, und seine Kleidung rief laut: »Tourist!« .
Selbst damals kamen schon Touristen hierher; nicht ganze Horden, aber immerhin einige. Sie blieben meistens eine Woche hier, unternahmen den Ausflug an die Oberfläche,den jeder Tourist gemacht haben muß, besichtigten unsere sogenannten Sehenswürdigkeiten und wurden ihr Geld beim Poker los. Wir achteten kaum auf sie und ließen sie in Ruhe,solange sie uns nicht belästigten.
Der älteste Stiljagi, der Führer der Gruppe, etwa achtzehn,sagte zu mir: »Wo ist der Richter?«
»Keine Ahnung. Nicht hier.«
Er biß sich auf die Unterlippe, und ich fragte: »Was ist los?«
»Wir wollen den Kerl hier eliminieren«, antwortete er nüchtern.
»Aber der Richter soll das Urteil bestätigen.«
»Sucht die umliegenden Kneipen ab«, empfahl ich ihm.»Wahrscheinlich ist er irgendwo dort.«
Ein
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