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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Shirazi ist direkt hinter mir. Ich habe die Pistole in der Hand. Ich werde ernten.

Ramadan Express

»Du trägst ja einen Bart, Sharif«, begrüßt mich mein Onkel, als ich vor seiner Villa an der Kilimanjaro Road aus dem Taxi springe. »Willst du Mullah werden?« Lachend kommt er mir entgegen.
    »Das ist jetzt Mode in Dubai.«
    »Geht es dir gut?« Er umarmt mich und küsst mich auf die Wangen. »Deiner Mutter, deinem Vater?«
    Ich erzähle ihm, dass es in Mwanza allen gut geht.
    »Komm, lass uns Tee trinken«, sagt er. Ich bin in einem firmeneigenen Lastwagen von Daressalaam nach Mwanza gefahren, um ein paar Leute zu treffen und meine Eltern zu besuchen. Eigentlich wollte ich nach Dar zurückfliegen, aber die Maschine der Air Tanzania saß auf der Erde fest – die ausländische Valuta fürs Kerosin ist ihnen ausgegangen. Deshalb bin ich mit dem Bus nach Moshi gefahren, um meinen Onkel zu besuchen.
    Wir setzen uns auf die Matten der Veranda, Abdullahi, der Koch, schenkt mir ein breites Lächeln und serviert Tee. In den ersten beiden Jahren, als ich die Internationale Schule besuchte, habe ich bei meinem Onkel gewohnt – bis meine Brüder sich die Internatsgebühr leisten konnten.
    »Weißt du, dass Christian wieder in der Stadt ist?«, fragt mein Onkel.
    »Ja, er kam vor ein paar Monaten ins Büro in Dar, aber ich war unterwegs.«
    »Er hat nach dir gefragt«, sagt mein Onkel. Ich kommentiere es nicht. Auf der Schule war ich mit Christian befreundet, wir haben zusammen Fußball gespielt. »Er fährt jetzt Motorrad, mit einem schwarzen Mädchen auf dem Rücksitz.«
    »Ich habe keine Zeit für seine Flausen.« Weiß zu sein, ist leicht. Man muss nicht mit den Konsequenzen leben. Wenn Christian irgendwelchen Menschen in Moshi etwas kaputtmacht, wird er verschwinden, zurück nach Dänemark. Alle verschwinden aus Tansania. Die reichen Afrikaner und Inder schicken ihre Kinder zum Studieren in den Westen – sie kommen nie zurück.
    Wir sind Araber. Ostafrika hatte eintausend Jahre lang eine Verbindung zur Arabischen Halbinsel und zum Persischen Golf; wir haben die Swahili-Kultur geschaffen – ihre Sprache ist voller arabischer Worte. Als sie jung waren, 1955, sind meine Eltern vor der Armut im Jemen geflohen. Tansania war damals eine britische Kolonie und bot Händlern viele Möglichkeiten, vor allem im Landesinneren, wo die Konkurrenz der Inder nicht so groß war. Ich bin in Mwanza am Victoriasee aufgewachsen. Wir sind elf Geschwister, alle mit einem tansanischen Pass, doch drei meiner Brüder arbeiten in Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Mein Onkel in Moshi ist rechtgläubig, aber auf die tansanische Art – entspannt, nicht streng. Er geht in die Moschee, ja, allerdings nur am Freitag. Er nimmt auch Alkohol zu sich. Aber ich respektiere ihn, er ist mein Onkel.
    »Der letzte Lastwagen vor der Regenzeit fährt morgen Abend«, sagt er. »Dann bist du Ramadan zu Hause.«
    »Das ist gut.«
    Ich stehe zeitig auf und wasche mich, bete und frühstücke, wobei ich mich mit Abdullahi unterhalte. Ich erkundige mich nach seiner Frau und seinen Kindern. Hinterher gehe ich zum Kijito-Haus in der Internationalen Schule und besuche mama Hussein, meine Hausmutter, als ich aufs Internat kam. Die Schüler haben bereits Unterricht, als ich komme. Ich finde mama in der Krankenstube der Internatsschüler, die im Kijito untergebracht ist.
    »Mein Junge!«, ruft sie und drückt mich an sich – dann tritt sie auf eine Armlänge Abstand zurück. »Du bist ja ein Mann geworden.« Sie fragt mich über Dubai und Dar aus, über meine Zukunftspläne. Ich erkundige mich nach ihrer Familie, der Gesundheit, der Arbeit. Wir trinken Tee. »Weißt du, dass Christian, der dänische Junge, nach Moshi zurückgekommen ist?«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Wenn die europäischen Kinder nach Abschluss der Schule hierher zurückkommen – tsk , ich mag das nicht.«
    »Nein.«
    »Die jagen dem Traum von einem Leben nach, das es nicht mehr gibt. Sie sollten dort bleiben, wo sie hingehören; ihr eigenes Land kennenlernen und sich weiterbilden. Dann können sie wieder herkommen, wenn sie etwas beizutragen haben.«
    »Vielleicht sollten sie gar nicht wiederkommen«, gebe ich zu bedenken.
    »Vielleicht nicht.«
    »Was macht er denn, Christian?«, frage ich nach.
    »Ach, tsk , er zieht mit einem armen Mädchen umher und organisiert kleine Disco-Abende in der Stadt.«
    »Mit Leuten aus der Stadt?«
    »Ja, diese Typen werden ihn roh fressen,

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