Revolution - Erzählungen
Die anderen sehen mich, rufen herunter.
»Habt ihr getroffen?«
»Ja!«, schreie ich. Ich komme nach oben, steige aus dem Schacht, direkt unter dem Halbdach. Mama sitzt vornübergebeugt und gespannt in ihrem Stuhl auf der Veranda.
»Wir sind auf sie gestoßen!«, rufe ich. Merkwürdig, dass ein Fettberg wie eine junge Gazelle aus dem Stuhl springen kann. Die Gier ändert alles. Hier wird es heute sehr gefährlich. Menschen werden sterben, aber wer? Ich? Besser, wenn es ein anderer ist. Mama fliegt geradezu auf den Schacht zu. Sie steht ganz dicht an der Öffnung.
»Weg, weg!«, schreit sie. In dem schwachen Licht sehe ich, wie sie die Arbeiter zur Seite stößt. »Moses, du steigst zuerst hinunter und leuchtest mir.« Rasch klettere ich die Leiter ein Stück hinunter. Sie will, dass ich unter ihr bin, damit der Staub der Leiterstufen nicht auf sie hinabrieselt. Sie dreht sich um und tritt auf die Leiter. Ich sehe die Baumstämme, die unter dem schwarzgeblümten Nylonkleid hervorragen – ihre Beine. Über dem ganzen Fett platzt beinahe der Stoff. Ihr Bein tastet nach der nächsten Stufe der Leiter, sie findet Halt und lässt einen Arm nach dem anderen folgen. Sie hebt den zweiten Fuß. Alle sind still. In einer Hand hält sie eine Taschenlampe, der Lichtkegel flackert im Schacht; sie will sich nicht ihre Arusha-Frisur mit einem Helm oder einem Gummiband um den Kopf ruinieren. Die Leiter besteht aus dickem, ungehobeltem Holz, und die Stufen liegen weit auseinander, um Holz zu sparen; sie sind abgetreten und glänzen von den Händen und Füßen der Arbeiter – und wie immer nach einer Sprengung sind die Stufen mit einer feinen Lage Steinstaub bedeckt, das sie noch glatter werden lässt. Ich höre ihr Stöhnen, der Körper ist schwer von all dem Essen und Trinken, das mit unserem Schweiß bezahlt wurde. Ein großer fetter Arsch, ich sehe kaum etwas anderes. Ich bewege mich abwärts, um eine Nische zu finden, in der ich stehen kann. Nach fünfzehn Metern betragen die Maße des Schachts nur noch einen mal einen Meter. Er soll schmal sein, damit wir nicht zu viel Schutt auf einmal in den Futtersäcken nach oben bringen. Und wir sind dünn – wir und die Leiter brauchen kaum Platz. Mama stöhnt. Zuerst spüre ich den Tropfen auf meinem nach oben gerichteten Gesicht – ihren Schweiß. Dann sehe ich den Lichtkegel, der wild herumwirbelt und neben mir in den Schacht fällt – sie hat die Taschenlampe verloren.
»Licht!«, schreit sie. Die Idioten oben denken nicht nach, sie gehorchen und leuchten ihr. Ich habe meine Taschenlampe ausgeschaltet.
»Moses!«, schreit sie. Ich will sehen, was sie will, schalte die Lampe an, leuchte.
»Was ist?«
»Ohhh«, stöhnt sie – kann die Stimme einer so riesigen Schlampe so winzig sein? Einer der Baumstämme zuckt unter ihrem Kleid, sie findet die nächste Stufe nicht, sie ist zu weit entfernt, weil sie sich mit den Händen an eine Stufe klammert, statt sich sacken zu lassen. Man muss sich mit den Armen festhalten, wenn das Bein sucht. Aber ihre Arme sind müde, ihre Muskeln sind nur gewohnt, das eigene Fleisch zu tragen. Ich leuchte direkt zwischen ihre Beine, sehe aber keine Unterhose – diese Beine sind so feist, dass man nur Fett sieht. Wenn es eine Unterhose gibt, ist sie in ein Fettgefängnis gesperrt. Ich drücke mich in die Nische.
» Aaaaiiiiii …« Und sie rutscht, sie ist ein schreiender Klumpen, der scheinbar gliederlos näherkommt. Ich drücke mich flach an die Wand. Direkt vor mir sehe ich, wie ein Bein an einer Stufe hängenbleibt, sich verfängt, aber … KRUUUUUGN – ein Knirschen des Knochens, das Bein verdreht sich und wird aus der Stufe gezogen. Das Kleid wischt über mein Gesicht, ein Duft von Schweiß und Parfüm. Und der Körper stürzt weiter. Bis zum Grund, zwanzig Meter tiefer. Das Geräusch des Aufschlags, dumpf. Oben schreien und brüllen sie – fangen an hinabzusteigen. Ich klettere hastig nach unten, flink wie ein Eichhörnchen. Sie ist bewusstlos, atmet aber noch in kleinen Stößen; eines ihrer Beine ist unter ihr in einer merkwürdigen Position verdreht. Aber sie ist nicht tot. Der Körper ist auf dem Weg nach unten gegen die Leiter und die Wände des Schachts geprallt, die Reibung hat die Geschwindigkeit vermindert – und das Fett war wie eine Matratze, auf der sie gelandet ist. Ich richte meine Lampe auf sie, während die anderen sich von oben nähern. Ich trete sie – keinerlei Reaktion.
»Ist sie tot?«, fragt einer der Schlangen.
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