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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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den YMCA -Kreisel auf die Hauptstraße zur Road Junction rollen. Der dunkle Rücken des Berges an der linken Seite ähnelt einem verunglückten Zugtier, rechts zieht sich die Ebene unter vereinzelten Wolken dahin, die die letzten Sonnenstrahlen einfangen und in der Farbe von Zigarettenfiltern leuchten.
    Bevor Fadhila abreiste, haben unsere Familien ein Picknick im Park am Gymkhana Club veranstaltet. Ich bin mit Fadhila spazieren gegangen, über das grüne Gras hinunter zur Küste.
    »Lass uns ans Wasser gehen«, schlug sie vor, und wir überquerten die Ocean Road. Fadhila sah sich um. Die anderen konnten wir nicht mehr sehen.
    »Jetzt sind wir ganz allein.« Fadhila lachte und schaute zu Boden. Wir gingen über den festen Sand bis ans Wasser.
    »Ich will mir die Zehen nass machen«, sagte sie, zog ihre Sandalen aus, hielt sie in der Hand, hob ihren hijab ein wenig an und ließ die sich brechenden Wellen ihre Füße lecken. Ich zog meine Sandalen ebenfalls aus und sah sie dabei an.
    »Ich werde dich vermissen, Fadhila.« Sie lächelte mir zu, schlug aber hastig den Blick nieder. Wir standen einen Meter voneinander entfernt. Sie sagte nichts. Sie blickte auf ihre Zehen und den Saum ihres hijab , der nass geworden war. »Ich freue mich darauf, wenn du wieder nach Hause kommst.«
    »Ich mich auch, Sharif«, sagte sie, ohne aufzublicken. Und dann streckte sie die Hand aus, griff nach meiner Hand und lächelte ein kleines Lächeln, und wir gingen am Wasser entlang und sprachen kein Wort. Ihre Hand war leicht und weich. Schließlich musste ich etwas sagen.
    »Es ist meine Absicht, dir ein gutes Heim zu geben. Ich werde gut für dich sorgen, Fadhila.«
    »Ich weiß, dass du es tun wirst«, antwortete sie. Ich wäre fast wahnsinnig geworden. So gern hätte ich sie geküsst.
    Ich kam auch ins Ausland. Ein halbes Jahr nach Dubai, um zu lernen, mit Computern umzugehen. Mit einem Stipendium, weil wir Jemeniten sind, arabisch sprechende Muslime. Ja, die arabischen Länder legen Wert darauf, eine enge Verbindung zu ihren muslimischen Brüdern in Ostafrika aufrechtzuerhalten. Ich habe bei meinem Bruder im arabischen Viertel gewohnt und fuhr nachts Taxi. Das Zentrum von Dubai – eine leuchtende Perle. Breite Boulevards ohne Risse im Asphalt, glänzende neue Autos, Gebäude aus Stahl, Glas und glattem Beton, prächtig geschmückte Moscheen aus Sandstein, die grünen Grasteppiche und die sich wiegenden Palmen der Parks, der Überfluss der Geschäfte – wie in einem Hollywood-Film, aber weitaus stilvoller. Keinerlei Abfall, Dreck, Bettler, Stromausfall oder Mangel. Eine Gesellschaft mit Respekt vor dem Glauben. Die Freiheit, seine Gebete verrichten zu können, ohne dass jemand einen dabei mit Zurufen stört. Und der Reichtum. Die Menschen benehmen sich zivilisiert, keine wilden Dummheiten wie in Afrika. Aber teuer. Ein sehr teurer Ort. Und viel zu viele Leute aus dem Westen.
    Die Straße hat sich nach der Hitze des Tages jetzt so weit abgekühlt, dass Yasir das Tempo langsam auf fünfundsechzig Stundenkilometer erhöht. Er muss mit den Reifen vorsichtig sein, denn wenn der Lastzug schwer beladen ist, kann der heiße Asphalt das Gummi auffressen. Auf der Fahrbahn sind dann zwei schwarze Spuren zu sehen. Es kann Monate dauern, bis ein neuer Reifen beschafft ist. Andererseits müssen wir uns auch beeilen, denn gegen Ende der Nacht sollten wir auf der asphaltierten Straße nördlich von Dar sein. Wenn die Sonne aufgeht, wird die Hitze schnell so stechend, dass die Lauffläche der Reifen unter dem Gewicht von Maismehl, Kaffeebohnen, Speiseöl, Kartoffeln und Essbananen schmilzt.
    Ich habe in Dubai den Markt analysiert. Gebrauchte Hardware zu importieren, ist leicht: Computer, Drucker, Kopiermaschinen, Telefone, Fax. Es lässt sich in Tansania verkaufen. Wenn wir eine Importlizenz bekommen. Die Fuhrbranche ist gut, aber wir müssen uns vergrößern, und ich würde gern ein Geschäft in Dar aufbauen.
    Politisch ist es schwierig, in Tansania ein Geschäft zu betreiben. Es darf nicht zu groß sein und bei den Leuten nicht allzu bekannt werden. Sonst gerät es unter den Einfluss der Politiker und hohen Beamten, die selbst keine offensichtlichen Geschäfte machen dürfen. Es würde ihre Karriere ruinieren. Aber natürlich wollen sie gern ein Stück vom Kuchen abhaben, ein wenig Schmiergeld, damit sie uns in Frieden lassen – es steckt noch immer ein sehr afrikanischer Sozialismus in diesem politischen System. Doch in einer Stadt wie Dar kann

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