Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
Vom Netzwerk:
er sogar Schweinefleisch gegessen hat, weil er es ausprobieren wollte. Was ist bloß los mit ihm? Vielleicht ist sein Blut schmutzig. In den letzten Jahren haben wir zwei Fahrer durch die Krankheit verloren. Ein Lastwagenfahrer verdient viel Geld. Er ist lange fort von seiner Frau, und er ist einsam. Möglicherweise hat er nicht die Kraft, allein zu schlafen. Er fängt sich die Krankheit ein und transportiert sie über Tansanias Hauptstraßen.
    Aber Qasim ist ein Teil der Familie. Und man kann nicht ohne Familie leben. Man würde losgelöst von jeglicher Ordnung umherirren. In Tansania brechen die Familien auseinander – auf dem Land gibt es keine Arbeit, so dass die Großfamilien sich zerstreuen. Die jungen Leute zieht es in die Stadt – hungrige, unwissende Analphabeten. Die Stadt ist eine Flutwelle, die jeden Mann umwirft, der allein ist. Nur die Familie und die Gemeinschaft in der Moschee und im Viertel können uns auffangen. Außerdem bietet Tansania viele Möglichkeiten, wenn man hart arbeitet.
    Ich freue mich, meinen älteren Bruder zu Hause im arabischen Viertel von Daressalaam zu besuchen – dem Hafen des Friedens. Mit meiner Schwägerin plaudern, Tee trinken, mit den Kindern spielen. Außerdem habe ich mich in ein Mädchen aus Dar verliebt. Sehr verliebt. Fadhila. Sie wird in Saudi Arabien als Krankenschwester ausgebildet. Dabei verbessert sie gleichzeitig ihr Arabisch, so dass sie die Mädchen unterrichten kann, wenn sie wieder zurückkommt.
    Schon vor anderthalb Jahren ist sie mir in unserem Viertel aufgefallen. Sie half in der Firma ihres Vaters, einem Elektriker; sie nahm die Aufträge entgegen, erledigte die Buchführung und kümmerte sich ums Telefon. Ich habe sie in der Moschee gesehen und meine Freunde gefragt, wer sie ist. Nur, wie sollte ich sie ansprechen? Ich sah mich in der Wohnung meines älteren Bruders um. Es gab ein paar Steckdosen, die ausgetauscht oder repariert werden mussten; sie saßen locker, es war nicht ungefährlich für die Kinder. Ich habe es meinem Bruder gesagt. Er lächelte.
    »Würdest du das für mich erledigen?«
    »Ja, ich werde mich darum kümmern«, erwiderte ich.
    »Ich vermute, du wirst dich an Najib Quhtan al-Shaabi wenden«, sagte er – der volle Name ihres Vaters. Und dann blinzelte er mir zu und fing an zu lachen. Ich bekam einen roten Kopf.
    »Ja.«
    Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich in den Laden ging und sie begrüßte. Sie hatte ihren Schleier weit hinter dem Haaransatz festgesteckt, und der Schleier war ein wenig durchsichtig. Ich sah, dass ihr Haar sich in einer Reihe dunkler Zöpfe über den Kopf zog und im Nacken zusammenlief. Sie schob den Schleier noch weiter nach hinten. Für mich? Ich stützte meine Arme auf die hohe Schranke und beugte mich darüber, als sie sich nach ein paar Formularen umdrehte. Ihre eleganten schlanken Füße in den Sandalen. Als ich die Füße sah, dachte ich an die Waden, und als ich die Hände sah, an die Arme. Und als ich ihren Hals sah …
    Ist das falsch? Sie ist jung und unverheiratet, und an ihren Ohren und auf der Oberlippe hinterlassen kleine feine Härchen eine sanfte Spur. Sie sah mich an, schlug die Augen nieder und rückte ihr Kopftuch zurecht. Ich richtete mich auf, ihr Vater betrat den Laden.
    »Ah, Sharif«, sagte er und gab mir die Hand. »Gut, dich zu sehen. Wie kann ich dir helfen?«
    Ich erwiderte, dass ich mich auch freuen würde, ihn zu sehen, und fragte nach der Familie und der Gesundheit. Wir trafen eine Vereinbarung über den Auftrag.
    »Du musst uns besuchen und mit uns essen. Ich spreche mit meiner Frau, dann gebe ich dir Bescheid, wann du kommen kannst.«
    »Die Einladung nehme ich sehr gern an«, sagte ich.
    »Fadhila geht ja jetzt bald nach Saudi Arabien, um dort ein Jahr zu studieren.«
    »Oh, wirklich? Herzlichen Glückwunsch.« Ich lächelte, war aber auch betrübt. Sie erwiderte mein Lächeln und sah mich direkt an. Wir verabschiedeten uns. Ich sprach mit meinem großen Bruder und meiner Schwägerin. Es gab Kontakte zwischen den Familien.
    Yasir hält den Lastzug mitten auf der Straße, damit die Reifen nicht in die Löcher am Straßenrand stoßen, wo der Asphalt abgebröckelt ist, nachdem die Wasserströme ihn in der Regenzeit unterminiert haben. Die tiefen Straßengräben werden nie vom Schlamm gereinigt, und während des Monsuns können sie die Wassermassen einfach nicht schnell genug abtransportieren. Die Akazienbäume an der Straße duften bis in die Kabine, als wir langsam durch

Weitere Kostenlose Bücher