Revolution - Erzählungen
Kassettenrekorder hat. Ein marineblauer Pontiac Firebird. Er hat ihn für tausend Dollar gekauft, mit enorm breiten Firestone-Reifen. Eigentlich ist es verrückt, denn der Wagen ist viel zu teuer im Unterhalt, aber Albert hat von solch einem Auto seit seiner Kindheit in Daressalaam geträumt; seit er im Kino amerikanische B-Filme gesehen hat.
Albert ist Computerprogrammierer für eine Bank in Chicago. Er ist zu einer Konferenz nach New York gefahren und kommt erst morgen nach Hause. Ich überlege, meine Mutter zu besuchen, aber ich bin zu müde. Am Stadtrand von Chicago halte ich in einer Mall und kaufe eine Kassette mit Elvis und ein Päckchen Zigaretten. Ich bin verrückt nach Elvis. Albert hat im Auto nur Funk-Musik.
Ich fahre zurück auf die Autobahn, in Richtung Osten zur Staatsgrenze von Indiana; wir wohnen im ersten Stock eines Hauses mit vier Wohnungen in der guten Gegend von Gary, wo Michael Jackson geboren wurde. In Gary sind die Mieten billiger als in der Nähe von Chicago. Wir haben ein Wannenbad, Aircondition und einen Abfallzerkleinerer, und wir haben einen großen Fernsehapparat, eine Stereoanlage, einen Computer und jeder sein Auto. Die Gegend ist gemischt, hier wohnen Weiße, Asiaten und Latinos. Wir sind die ersten Schwarzen. Es hat geholfen, als wir erzählten, dass wir aus Afrika stammen – und keine Amerikaner sind.
Ich fahre an den hohen Wohnblöcken der Außenbezirke Chicagos vorbei, schwarze Ghettos. Hier leben die Leute so wie die schwarzen Afrikaner. Die Mädchen werden Mütter, obwohl sie selbst noch Kinder sind, und die Männer drücken sich um ihre Verantwortung. Die Kinder wachsen auf und wiederholen die Muster der Eltern. Es ist schwer für sie, im Leben aufzusteigen.
In meiner Familie haben wir uns seit Generationen nach oben gekämpft. Mein Großvater wurde von den deutschen Missionaren in den Usambara Mountains im nördlichen Tansania ausgebildet. Im Ersten Weltkrieg schickten sie ihn auf die Missionsschule in Daressalaam, so dass er Lehrer werden konnte. Und hier bin ich nun, auf dem Weg zu einer Karriere als Ärztin und einem amerikanischen Pass. So lange dauert es, um sich ein gutes Dasein zu verschaffen.
Von der Autobahn aus kann ich über die Stadt sehen. Die USA sind nicht der große Schmelztiegel. Wir verschmelzen nicht. Chicago ist aufgeteilt in Bezirke: Schwarze, weiße Arme, reiche Weiße, Lateinamerikaner, Chinesen – die Trennlinien sind schärfer als in Daressalaam. Ich bin verkleidet, eine Schwarze in den USA . Alle glauben, ich sei ein Nachkomme der Sklaven, mit Wurzeln in der schwarzamerikanischen Kultur. Alle haben eine fest verankerte Meinung, wer ich sein muss. Aber so will ich nicht sein.
Als ich aus Kuba kam, besuchte ich eine schwarze Kirche in Chicago, voller Sklavenseelen, die eine Sonderbehandlung forderten, weil ihre fernen Vorfahren ein schlechtes Leben hatten. Schwarze Amerikaner glauben, die Welt schulde ihnen Wohlstand, wie ein Pflaster auf einer Wunde. Jedes Mal, wenn der Schorf trocken ist, pulen sie ihn ab und schreien, dass sie bluten. Alles ist die Schuld der anderen.
Der Verkehr auf der Autobahn ist dicht, obwohl es schon ziemlich spät ist. Auf den drei inneren Fahrbahnen staut es, es geht nur langsam voran. Ich wechsele auf die vierte Spur, kontrolliere den Tachometer: einhundertzwanzig Stundenkilometer. Elvis singt.
Kurz nach meiner Ankunft in den USA bekam ich die Stellung als Laborantin im Universitätskrankenhaus von Chicago. Ich wohnte bei meiner Mutter und ihrem Mann in einer gemischten Nachbarschaft – dort gab es auch Latinos und Leute aus dem Osten. Ich kaufte mir einen alten Chevrolet und war glücklich; eine tansanische Frau mit einem eigenen Auto ist ein Wunder Gottes. Ich trug eine Sonnenbrille mit Strass am Gestell. Niemand hat gesehen, dass ich aus Afrika stammte – eine Einwanderin der ersten Generation.
Aber es gefiel mir, davon zu erzählen. Die schwarzen Amerikaner nennen sich Afro-Amerikaner. Sie sind keine Afrikaner. Ich schon. Sie benutzen die Vergangenheit als einen Nuckel und schreien, dass sie betrogen worden sind. Es ist unangenehm, mit ihnen in eine Ecke gestellt zu werden. Was glauben sie denn, wer ihre Vorväter an die Sklavenhändler verkauft hat? Ihre schwarzen Brüder. Macht euch das endlich mal klar. Sie kamen raus aus Afrika und haben über einhundertfünfundzwanzig Jahre Vorsprung als freie Menschen in den USA . Sie wurden in eine Situation hineingeboren, die ich mein ganzes Leben zu erreichen
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