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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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versucht habe. Regt endlich eure Hände und drückt auf den Startknopf. Oder küsst meinen schwarzen tansanischen Arsch und wünscht mir viel Glück, wenn ich auf der Leiter an euch vorbeiklettere.
    Bei einem Treffen an der Universität begegnete ich einer tansanischen Straßenbauingenieurin. Sie empfahl mir eine gemischte Kirche in der Vorstadt, die von einigen Tansaniern besucht wird. Ich habe sie kennengelernt. Sie studieren, arbeiten, wohnen in Trailerparks und kämpfen mit Zähnen und Klauen – um nach oben zu kommen. Wir alle sagen, dass wir eines Tages wieder nach Hause gehen und Tansania etwas zurückgeben. Aber werden wir es tun? In Afrika funktioniert nichts, die Säure der Korruption durchdringt alles. Die USA sind okay. Hier kann man etwas erreichen, wenn man hart genug arbeitet. Die Leute sind verantwortlich für ihre Handlungen – die Menschen haben Rechte, Sicherheit. Wer Kinder bekommt, kann sie in ordentliche Schulen schicken, wenn sie tüchtig sind – nicht nur, wenn ihre Eltern korrupt sind. In Afrika kannst du kämpfen wie ein Vieh und musst ständig hungern. Ich liebe Tansania. Aber erst muss ich mich selbst retten – mich und meine Angehörigen. Es gibt keinen Platz für Mitgefühl. Liebe allein reicht nicht.
    In der Kirchengemeinde begegnete ich Albert, der auch aus Daressalaam stammt. Wir wurden ein Paar. Wir heirateten. Ich wurde schwanger.
    Im Rückspiegel wird ein roter Mazda größer und will mich auf der äußeren fünften Spur überholen. Ich beobachte ihn. Er fährt mit hoher Geschwindigkeit. Bestimmt hundertfünfzig. Irgendetwas ist nicht in Ordnung. Was? Ein Stück weiter vorn hält ein Ford auf der fünften Spur – Stau –, während es auf den anderen Fahrbahnen langsam vorangeht. Der Mann im Mazda zieht an mir vorbei. Er nähert sich dem stehenden Ford, bemerkt es zu spät. Ich schaue auf den Mazda, seine Bremsen kreischen, er versucht, nach rechts auszuweichen, auf die vierte Spur, meine Fahrbahn. Er schafft es nicht. Die Frontpartie des Mazda prallt auf die rechte hintere Ecke des Ford, der Mazda hebt ab, fliegt durch die Luft, schlägt auf, rutscht nach rechts und reißt den Ford mit sich auf meine Spur. Metall und Bremsen kreischen. Ein Toyota kommt gerade noch vorbei. Direkt vor mir schleudert der Mazda quer über meine Fahrbahn und zieht den Ford an der Stoßstange mit sich, mein Fuß schwebt über der Bremse, sie gleiten in einem umgedrehten V auf mich zu, dann trennen sie sich, eine kleine Lücke entsteht. Ich trete aufs Gas, suche die Öffnung, knalle zwischen die beiden Wagen, treffe sie beide mit meiner Frontpartie und stoße sie zur Seite. Sie drehen sich. Dann bin ich durch, und alles wird still. Links von mir ist es auf der fünften Spur zu einer Massenkarambolage gekommen. Im Rückspiegel kann ich erkennen, wie der Mazda lautlos auf die dritte Spur rutscht. Ein langsamer Tanz, wieder das Geräusch von krachendem Stahl, splitterndem Glas, kreischenden Bremsen. Ich fahre. Im rechten Seitenspiegel sehe ich Autos von hinten in den Mazda fahren, die gesamte Fahrbahn gleicht einem aufgewühlten Meer stiller Zerstörung. Um mich herum ist die Autobahn fast leer – alle sind in dem Unfall hinter mir gestrandet. Meine Hände umklammern das Lenkrad, erst jetzt merke ich, dass eins meiner Vorderräder angeschlagen sein muss. Ein schrilles Geräusch dringt zu mir herein – der Gestank von versengtem Metall führt zu Schweißausbrüchen unter den Armen, an den Händen. Ich bremse. Ich habe keine Haftpflichtversicherung, für einen Ausländer ist die Versicherung teuer, sie kostet mehr als das Auto. Ich orientiere mich, sehe ein Stück vor mir eine Abfahrt, steuere vorsichtig nach rechts. Heftiger Gestank. Fängt der Wagen an zu brennen? Ich biege in die Ausfahrt und gelange auf eine Straße mit Industriegebäuden. Fahre in die erste Straße rechts, ein Einkaufsgebiet: Footlocker, Burger King, Safeway, K-Mart. Halte an der Bordsteinkante vor einem Münztelefon. Rauch steigt aus dem Kühler des Wagens. Ich sitze still. Atme. Kein Mensch ist zu sehen. Ich habe Kopfschmerzen. Fasse mir an die Schläfen. Keinerlei Blut. Vielleicht habe ich mir den Kopf an der Scheibe gestoßen. Vorsichtig steige ich aus, taumele zum Münztelefon und schaue zurück. Beide Seiten der Kühlerfront sind heruntergebogen und schleifen an den Reifen. Ich halte den Hörer schon in der Hand, aber ich muss zum Wagen zurück, um Münzen zu holen. Sie liegen in einem Schälchen zwischen den Vordersitzen,

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