Revolution - Erzählungen
astronomischen Preisen, es gibt Hafergrütze und Sardinen. Und es gibt Corned Beef in Dosen, aber man sollte besser nicht das Verfallsdatum lesen – es sind alte amerikanische Militärrationen aus den sechziger Jahren, die kräftig bestrahlt wurden, damit sie bis zum Jüngsten Tag halten. Und der ist heute. Wir leben von Nilwasser, Hafergrütze, Sardinen und bestrahltem Rind. Es ist einfach widerlich. Glücklicherweise haben wir Jodtabletten dabei, so dass wir vom Wasser nicht krank werden. In der Stadt grassieren Ruhr und Hepatitis. Ich muss daran denken, wie meine Mutter in der Küche stand und meinen Schwestern beibrachte, warme Mahlzeiten für mehrere Personen zu kochen. Und so etwas passiert mir, der Essen eigentlich vollkommen egal ist und die nie etwas anderes zu sich nimmt als Äpfel und Käsebrote. Plötzlich kann ich mich an Rezepte von merkwürdigen, wunderbaren Gerichten wie Kasseler mit geschmortem Spinat und braunen Kartoffeln erinnern. Ich träume von einer Coca-Cola, die ich normalerweise gar nicht mag. Wir sehnen uns nach einer einfachen Tasse Tee. An einem Tag kommt das Gerücht auf, es gäbe Brot. Wir laufen los, aber die Leute wollen uns nicht verraten, wo die Bäckerei ist. Als wir sie endlich finden, ist alles ausverkauft. Es ist schrecklich. Jeden Tag geht Jacques in die Stadt, um eine Transportmöglichkeit zu finden. Umsonst.
Endlich – nach vierzehn Tagen – erfahren wir, dass Flugbenzin eingetroffen ist. Wir fliegen. Es ist fantastisch. Wir kommen nach Juba im Südsudan, nicht weit von der Grenze zu Uganda. Auch in Juba herrscht Elend. Es ist eine Stadt aus verstreuten Hütten. Aber es gibt ein Polizeirevier, auf dem wir uns registrieren lassen. Wir dürfen gern vor Hunger sterben, solange sie wissen, wo wir sind, wenn es so weit ist.
Von Juba aus können wir nicht nach Kenia fahren. Sie wollen uns nicht ins Land lassen, weil wir aus einem infizierten Gebiet kommen – die grünen Affen. Wieder finden wir eine Missionsstation. Es sieht aus, als müssten wir Heiligabend hungern. Vierzehn Tage sitzen wir fest; Jacques rennt herum und versucht, eine Lösung zu finden. Endlich können wir in einem Privatflugzeug, einer kleinen Cessna, von Juba bis in Kenias Hauptstadt Nairobi mitfliegen. Jacques hat viel Geld dafür bezahlt, und ein bisschen zwielichtig ist es auch: Wir fliegen im Morgengrauen, ohne unsere Pässe vorzuzeigen und offiziell aus dem Sudan auszureisen; wir gehen einfach an Bord und heben ab. Endlich.
Bountyland
Wir landen auf einem richtigen Flughafen mit einer richtigen Passkontrolle. Nairobi ist eine richtige Stadt mit Hochhäusern und Zivilisation. Es ist Weihnachten, und wir gehen in ein Restaurant und essen Steaks. Es ist der pure Luxus, und es ist fantastisch. In Nairobi gibt es schicke Nachtklubs und schöne Hotels. Sehr viel Armut, aber auch eine solide Mittelklasse.
Wir wohnen zusammen mit Einheimischen in einem kleinen Hotel, dem Almansura. Das Gebäude hat eine Außengalerie in Hufeisenform, und unten im Hof sitzen Frauen und bereiten die Mahlzeiten in kleinen Kohlebecken zu. Die Zimmer sind dreckig, die Betten schlecht, außerdem gibt es Kakerlaken. Aber die Leute sind sehr, sehr nett. Auf der Straße winken mir die Frauen zu.
»Dürfen wir dich frisieren?«, fragt eine von ihnen.
Ich bin einverstanden, und sie lachen, befühlen meine Haare und flechten sie dicht über der Kopfhaut zu schmalen Kornähren. Doch mit meiner weißen Kopfhaut zwischen den Flechten hole ich mir einen Sonnenbrand, deshalb binde ich die Zöpfe am nächsten Tag wieder auf – jetzt bin ich eine Grönländerin mit Afrohaaren, und alle lachen mich an.
Das Hotel kostet uns sieben Kronen am Tag, Essen gibt es für vierzehn Kronen. Es kostet so gut wie nichts.
Wir bleiben nur kurze Zeit in Nairobi, dann fahren wir mit dem Zug an die Küste. Mombasa – der hübscheste Ort. Häuser mit Holzschnitzereien in arabischem Stil, ein fantastischer Palmenstrand mit Korallenriff, klarem Wasser und eine Unmenge an ausgezeichnetem Pot. Wir wohnen in einem schönen Hotel, die ersten beiden Etagen – einige Zimmer, die Rezeption und das Restaurant – sind aus Backstein. Die oberste Etage ist eine riesige Dachterrasse mit einer großen Holzhütte, in der wir in einem Fünfbettzimmer zusammen mit Einheimischen und anderen Reisenden schlafen. Einfach gemütlich. Wir gehen an den Strand und tauchen. Jacques harpuniert Muränen. Sie haben festes weißes Fleisch, wie Seewolf. Ich brate sie in Olivenöl mit
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