Revolution - Erzählungen
Im Südsudan herrscht Green Monkey Disease , das Gebiet steht unter Quarantäne. Einige Wissenschaftler haben grüne Affen im Ruwenzori-Gebiet in Zaire seziert. Der Virus saß in den Nieren der Affen. Dreihundertfünfundachtzig Menschen sterben im Laufe von vierzehn Tagen, und die Krankheit verbreitet sich rasch bis nach Uganda und den südlichen Sudan. Der Virus löst grippeähnliche Symptome aus, die Leute scheißen und kotzen Blut. Es gibt keine äußeren Anzeichen. Nach vierundzwanzig Stunden stirbt man an inneren Blutungen.
Nach einem Monat ist die Krankheit ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen ist, die Quarantäne wird aufgehoben, und wir können weiterziehen. Um in den Südsudan zu kommen, müssen wir den Weißen Nil auf einem alten, abgetakelten Raddampfer hinunterfahren, an dem fünf Schuten festgezurrt sind. Das Ganze sieht aus wie eine schwimmende Insel. Es gibt eine erste, eine zweite, eine dritte, eine vierte und eine fünfte Klasse. Da wir billig reisen wollen, nehmen wir die fünfte Klasse, die allerdings ziemlich ekelhaft ist. Zu unseren Reisekameraden gehört unter anderem eine Schar stinkender Ziegen. Okay, wir bekommen einen Kojenplatz, aber der Kojenplatz entpuppt sich als eine Art Regalbrett, auf das man aber nur passt, wenn man schlank ist – mit einem Bauch ist es unmöglich. Und wenn man sich an der Nase kratzen will, muss man erst einmal den Arm aus der Koje stecken, um ihn dann seitwärts zur Nase zu führen. Ein Moskitonetz gibt es schon, allerdings ist es voller Löcher. Und natürlich leben eine Unmenge Moskitos auf der Schute, denn hier gibt es jede Menge guter Sachen zu fressen. Die Toiletten bestehen aus einem Haufen Scheiße auf dem Deck – offenbar kommt niemand auf die Idee, seinen Arsch über die Reling zu halten. Man kackt auf einen großen gemeinsamen Haufen. Tja, und die Leute haben alle möglichen Würmer und andere Sachen, man sieht Blutklumpen und … iihhgitt! Abgedeckt ist der Scheißhaufen nicht, aber zumindest liegt er in einer Ecke. So. Daneben sitzt eine Mutter und bereitet auf einem kleinen Kohlebecken etwas zu essen. Einen halben Meter von der Scheiße entfernt hat sie ihren Säugling aufs Deck gelegt.
Ich schicke Jacques zum Kapitän, um ihn um einen Platz in der ersten oder zweiten Klasse zu bitten, aber es ist alles ausverkauft. Ein einziges Mal dürfen wir zum Essen ins Bordrestaurant. Die Fahrt nach Juba, der südlichsten Stadt des Sudan, soll sechs Tage dauern. Nach drei Tagen halten wir es nicht mehr aus und gehen von Bord, als der Prahm in Malakal anlegt, einem Flecken mitten am Nil – aber zumindest ist es eine Art Stadt. Wir gehen ins Zentrum.
»Was ist das hier für ein Ort?«, will ich von Jacques wissen.
»Keine Ahnung«, erwidert er. Total verrückte nackte Männer laufen auf der Straße herum und sehen hungrig aus. Jacques versucht, mit ein paar bekleideten Leuten zu reden, aber auch sie haben einen seltsam leeren Blick und wirken desorientiert. Die Läden sind geschlossen.
»Sie haben Hunger«, sage ich.
»Ja«, erwidert Jacques. Wir laufen zurück zum Anlegeplatz, doch der Raddampfer ist bereits abgefahren. Ein wütender Mann spricht uns an und erklärt, wir müssten zum Polizeirevier und uns registrieren lassen. Wir gehen mit unseren Pässen aufs Revier und werden in ein abgenutztes Schreibheft eingetragen. Wir bitten den Polizisten um Rat. Wo können wir etwas zu essen kaufen? Wo können wir übernachten? Er weiß es nicht. Er hat uns nur zu registrieren. Es gibt keine Lebensmittel, aber dafür herrscht Ordnung. Wir laufen durch die ganze Stadt und erkundigen uns nach einem Weitertransport, aber es gibt nichts. Außer Hunger. Keinen Diesel und auch kein Flugbenzin, obwohl es einen Flughafen und Lastwagen gibt. Wir kommen nicht weg von hier. Wie sich herausstellt, ist Malakal eine Grenzstadt, die zwischen drei Stammesgebieten liegt; ein Ort, mit dem niemand wirklich etwas zu tun haben will, hier endet der gesamte Abschaum der Stämme. Auf dem Schiff haben sie uns nicht gewarnt, niemand hat etwas gesagt. Damit müssen wir selbst zurechtkommen. Allerdings haben wir auch nicht gefragt. Wir wollten nur runter vom Schiff. Wir finden eine Missionsstation und bekommen die Erlaubnis, auf der Terrasse unser Zelt aufzuschlagen – die Missionare wollen uns nicht im Gebäude haben. Und sie wollen uns auch nichts von ihren Lebensmitteln geben, unser Hunger ist unsere Sache. In einer Hütte verkaufen sie Dosen aus Hilfslieferungen zu
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