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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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gehören fast alle dem Staat. Und wenn wir selbst ein Haus bauen würden? Die Schwarzen sehen es nicht gern, wenn die Inder so schön wohnen. Denn was wollen die Inder eigentlich hier? Wir sind schließlich in Afrika, und Indien liegt auf der anderen Seite des Ozeans. Wir sollten überhaupt nicht hier sein. Schuld daran ist mein Großvater. Er ließ seine Familie nachkommen, um einen Zulieferbetrieb aufzubauen, als die Deutschen die Eisenbahn bauten. Viele indische Arbeiter blieben und eröffneten in Tansania Geschäfte, weil sie hier einfacher zurechtkamen als in Indien. Mein Vater wurde in Moshi geboren. Allerdings hätten wir auch fortgehen sollen, als die Schwarzen die Unabhängigkeit bekamen und die Briten verschwanden. Die Briten haben allen Indern einen Koloniepass ausgestellt, weil niemand wusste, was geschehen würde, wenn die Schwarzen an die Macht kamen. Der Koloniepass gab uns allerdings nicht das Recht, uns in England oder Kanada niederzulassen, aber man konnte es damit zumindest versuchen. Sehr viele Inder verließen Ostafrika in den Jahren um meine Geburt.
    Als Vater am nächsten Tag zum Abendessen nach Hause kommt, reagiert meine Mutter hysterisch. Sie hat in der Daily News gelesen, dass die Behörden in Dodoma sieben Inder wegen Schwarzhandel verhaftet haben.
    »Es kommt genauso wie in Uganda. Die Schwarzen konfiszieren alles, was wir besitzen, und schmeißen uns aus dem Land. Nur mit den Kleidern, die wir am Körper tragen«, jammert sie mit bebender Stimme.
    »Bleib ruhig«, erwidert Vater düster. Aber Mutter hört nicht auf.
    »Meine kleine Schwester musste ihr Haus in Kampala nur mit einem Bündel und einem Koffer verlassen. Idi Amin hat ihnen alles genommen, was sie besaßen. Fünfzigtausend Inder hat er aus dem Land gejagt. Glaubst du, das wird hier anders?«, schreit sie. Vater wird lauter.
    »Still jetzt, Frau. Ich will so etwas nicht hören!« Mutter putzt sich die Nase und murmelt, als sie in die Küche geht: »Meine eigene Schwester. Und du glaubst, dieser Nyerere ist besser als Amin? Du wirst noch eines Besseren belehrt werden. Alle Schwarzen sind gleich. Barbaren. Wir hätten auswandern sollen.«
    Ich schaue Vater an. Er hat sich hinter einer Zeitung verschanzt. Meine Tante wurde 1972 aus Uganda geworfen. Damals entschied Großvater, dass die Familie in Tansania bleiben sollte, weil es dort ruhiger war. Wenn Afrika zu Reichtum käme, könnten er und Vater ein Vermögen verdienen, während die nervösen Inder in England froren. Doch Tansania wurde nicht wohlhabend – sondern arm und korrupt. Und jetzt zerschlagen sie den Schwarzmarkthandel der Inder, das Einzige, was in diesem Land überhaupt funktioniert.
    »Wieso ist Großvater eigentlich hierhergekommen?«, frage ich. Vater lässt die Zeitung sinken und sieht mich an.
    »Indien war damals ein hartes und unruhiges Land. Man kam nicht über das Maß hinaus, das die Gesellschaft jedem Einzelnen zugedacht hatte, aber man konnte immer noch tiefer sinken.« Vater hat in Indien zwei Jahre ein Internat besucht, bevor er in Großvaters Firma eintrat. Ich bin nie in Indien gewesen, aber wir haben noch immer Kontakt zu Vaters Vettern, die ärmer sind als wir. Vater zwinkert mir zu: »Du kannst durchaus nach Indien kommen, Baby. Meine Vettern träumen alle davon, ihre Söhne mit meinen hübschen Töchtern zu verheiraten.« Vater lächelt. Mutter erscheint in der Tür.
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage«, erklärt sie mit fester Stimme.
    »Was sagst du da?« Vater schaut sie fragend an.
    Mutter baut sich vor ihm auf: »Warum sollen wir deiner armer Verwandtschaft beibringen, wie man in Afrika lebt, wenn es in Kenia tüchtige Hindus gibt, die sich für unsere hübschen Töchter interessieren, weil sie gute Hausfrauen sind und auf der Internationalen Schule viel gelernt haben? Sie werden uns hübsche Enkelkinder bescheren, die wir in Kenia besuchen können, wenn wir unseren Lebensabend in Wohlstand und Ruhe bei meinem Sohn Badri hier in Moshi verbringen!«
    »Unsere Töchter könnten nach Indien gehen«, sagt Vater.
    »Nach Indien? Wenn meine Töchter von hier fortgehen, dann nach England oder Kanada. Aber niemals nach Indien.«
    »Was ist denn so falsch an Indien?« Vater hebt die Stimme und steht auf, die Zeitung raschelt in seiner Hand.
    »Meine Töchter sollen nicht ihr ganzes Leben schlecht behandelt werden, nur weil sie in Afrika geboren wurden.«
    »Trag das Abendessen auf, Frau, und lass mich in Ruhe«, beendet Vater die Diskussion und

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