Revolution - Erzählungen
erben, er hat keine Probleme.
»Du, Mädchen!«, ruft Badri auf Swahili aus seinem Zimmer. »Wo ist mein Hemd?« Das Küchenmädchen bügelt Badri jeden Nachmittag ein frisches Hemd, damit er gut aussieht, wenn er abends mit seinen Freunden ausgeht. Im Wohnzimmer springt Mutter auf, denn das Mädchen ist unterwegs, um einzukaufen. Und die Götter verbieten, dass Badri irgendetwas selbst erledigen muss.
»Ich bringe es dir, mein Schatz.« Mutter läuft den Flur hinunter, kommt mit dem Hemd zurück und klopft an seine Tür. Badri hat sein eigenes Zimmer, während ich eins mit meinen Schwestern teilen muss.
»Ja?«, tönt es hinter der Tür.
»Hier ist das Hemd, Schatz«, sagt Mutter. Badri öffnet und nimmt es.
»Und meine Schuhe«, erklärt er. »Die haben hier im Schrank zu stehen, wenn sie geputzt sind.«
»Ich hole sie dir«, sagt Mutter und läuft los, um die Schuhe zu suchen, die der Fahrer geputzt hat, damit sie für babu Badri bereitstehen – den kleinen Herrn.
Söhne werden immer verwöhnt, denn es ist Aufgabe der Söhne, den Lebensabend der Eltern zu sichern, während Mädchen nur Ausgaben bedeuten.
Auch Vater kümmerte sich um seine Mutter. Als mein Großvater an einer Gehirnblutung starb, zog Großmutter bei uns ein. Ständig lief sie hinter Mutter her und redete und redete.
»Du darfst deinen Töchtern nicht erlauben, sich so anzuziehen – kein Mann wird sie je haben wollen. Du selbst hast unglaubliches Glück gehabt, dass du einen so guten Mann wie meinen Sohn bekommen hast. Aber wenn du so viele Mädchen zur Welt bringst, dann müssen sie ordentlich erzogen werden, sonst werden sie einfach zu teuer. Und lass die Erbsen nicht so lange kochen. Das mag mein Sohn nicht, sie werden dann ungenießbar.«
Ich glaube, Mutter war erleichtert, als Großmutter an Herzversagen starb.
Und jetzt verwöhnt Mutter Badri. Die Götter mögen gnädig auf Badris kommende Ehefrau herabsehen, der Mutter mit ewigen Ratschlägen und Zurechtweisungen hinterherlaufen wird: Wie Badri am liebsten seine Kekse isst, seinen morgendlichen Tee trinkt und seine frisch gebügelten und mit Rosenwasser besprühten Hemden trägt.
Ich will nicht mit einer bösen Schwiegermutter leben. Ich brauche einen Mann mit vielen älteren Brüdern, damit die Schwiegermutter bei denen wohnen kann oder man sich zumindest abwechselt.
Tennis. Samantha droht mir: »Wenn du es nicht versuchst, ziele ich direkt auf dich.«
»Das kannst du doch nicht machen«, sage ich und schaue hinüber zu Sally, die fetter ist als Mutter. Aber Sally atmet so schwer, dass sie nichts hört.
»Wart’s ab«, sagt Samantha und schlägt den Ball direkt an meinem Gesicht vorbei. Ich drehe mich um und gehe.
»Wo willst du hin?«, ruft Sally mir nach.
»Sie zielt auf mich«, sage ich.
Samantha ruft: »Und das nächste Mal ziehst du dir Tennisschuhe an, das ist hier schließlich kein Ballsaal!«
»Samantha!«, ruft Sally.
»Was ist? Ich bin gekommen, um Tennis zu spielen, nicht um mich lächerlich zu machen.« Samantha verlässt den Platz. Der Mulatte Panos und ein weißer Junge sitzen im Schatten und warten auf sie.
»Wo willst du hin?«, ruft Sally nun ihr hinterher.
»Weg hier«, erwidert Samantha und geht mit den beiden Jungen zu den Feldern hinter der Schule. Was macht sie mit zwei Jungen, sie als Mädchen? Was haben sie vor? Sally schüttelt den Kopf. Wir Inderinnen haben uns unter dem Baum in den Schatten zurückgezogen.
»Samantha ist ein schamloses Flittchen«, erklärt Parminder. Wir nicken. Die anderen weißen Mädchen spielen Volleyball, aber Samantha muss unbedingt unser Tennis stören.
Parminder erklärt uns, wie wir uns auf der Schule zu verhalten haben: »Ihr dürft nicht mit den weißen Jungs sprechen, denn sonst erzählen die indischen Jungs schlimme Sachen über euch und ihr bekommt einen schlechten Ruf.« Parminder sagt nicht, dass wir auch nicht mit den schwarzen Jungs reden dürfen – das versteht sich von selbst.
Die Internationale Schule ist ziemlich teuer, aber die Ausbildung soll uns zu einer guten Heirat verhelfen. Je qualifizierter wir sind, desto weniger Mitgift müssen unsere Väter bezahlen. Wenn wir zum Beispiel gut in Englisch sind, können wir einen Mann im Geschäftsleben besser unterstützen. Die Frau hat für die Familie zu sorgen und muss gesellschaftliche Anlässe arrangieren, und sie muss mit allen Geschäftskontakten ihres Mannes umgehen können, auch wenn es sich um Fremde handelt.
Ständig gängelt Badri uns
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