Revolution - Erzählungen
trinken meine Geschwister und ich Wasser aus einer alten Konservendose. Die einzige Mahlzeit des Tages.
»Bleib sitzen«, sagt mein Vater, als ich aufstehen will, um aufzuräumen. Die anderen übernehmen es. Ich sitze schweigend neben meinem Vater, der sich aus grobem Tabak und einem Stück Zeitungspapier eine Zigarette dreht. In der Dunkelheit kann ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen.
»Fahr wieder nach Moshi«, sagt Vater. »Und dann schickst du uns Geld, damit wir es uns leisten können, Halima hierzubehalten.«
»Ja, Vater. Danke.«
»Wenn du kein Geld schickst, bist du nicht länger meine Tochter.«
»Ich werde Geld schicken.« Die kleine Halima melkt mich nicht mehr. Ich lasse sie bei meiner Stiefmutter und fahre zurück zur Tante nach Moshi.
26.
Wir sitzen in der Hocke vor dem Zimmer in Majengo. Ich habe Anna die Schale mit Reis sofort abgenommen, um ihn nach kleinen Steinchen abzusuchen. Anna ist dabei, das Haar ihrer Mutter zu flechten. Seit fünf Minuten bin ich wieder hier. Tante Esther begrüßt mich kaum, sie redet nur über Geld.
»Wie willst du Geld beschaffen? Hier kannst du nicht wohnen, ohne zu bezahlen.«
»Vielleicht kann ich wieder bei mama mtilie arbeiten.«
»Sie ist eine Christin. Sie will nicht, dass ein schmutziges Mädchen ihren Kunden das Essen serviert.«
»Ich bin nicht schmutzig.«
»Du bist ein schlimmes Mädchen«, sagt die Tante. Wir sitzen draußen, jeder kann sie hören. »Alle haben Probleme wegen dir. Du ruinierst meinen guten Namen.«
»Die Tante hat bereits bei mama mtilie gefragt, ob du den Job wiederhaben kannst«, sagt Anne und schüttelt den Kopf. »Sie hat abgelehnt.«
»Und ich habe Angst vor dem schlechten Einfluss, den du auf meine Tochter hast«, sagt die Tante laut. Anna ist still. Was kann ich tun? Ich brauche die Hilfe der Familie.
»Ich werde mich anständig benehmen. Ich werde arbeiten, um Geld für Halima zu verdienen.«
»Ja«, sagt die Tante. »Du wirst dich anständig benehmen, sonst schmeiße ich dich raus, dann kannst du auf der Straße leben, wie eine Bettlerin.« Die Tante meint, ich solle mit der schlechten mama mtilie reden, die hinter dem Tanesco-Gebäude an der Rengua Road kocht.
Dort bekomme ich Arbeit. Nur zwanzig Meter sind es bis zum Kaufmann und der guten mama mtilie , doch hier ist alles anders. Das Essen ist schlechter und billiger, die Männer sind arm, der Lohn ist niedrig und kommt nur in kleinen Abschlägen, wenn es der mama passt. Sie bezahlt mir den Bus nicht, daher laufe ich jeden Morgen und jeden Nachmittag wieder durch den Staub. Aber ich habe Angst, mich zu beklagen, denn es gibt sehr viele Mädchen in Moshi, die nichts zu tun haben.
»Arbeite anständig«, ermahnt mich die mama . »Beeil dich!« Ich mache alles richtig, doch immer ist alles falsch, weil ich gegen Gottes Gebot verstoßen habe. Ich habe einen Mann geheiratet, der an Allah glaubt, und das ist der falsche Gott. Ja, diese mama ist auch eine Braut von Jesus am Kreuz. Eigentlich ist es normal, wenn Christen und Muslime heiraten, gewöhnlich gibt es keine Probleme. Aber mama mtilie hält mich für den Leibhaftigen: Erst werde ich von einem Moslem schwanger, und nachdem ich durch die Behörden unchristlich verheiratet wurde, laufe ich dem Mann davon. Die ganze Zeit ruht ihr strenger Blick auf mir.
Hierher kommen keine wabwana wakubwa wie bei der guten mama mtilie . Die Männer, die hier essen, haben keine flotten Uhren, schicke Sachen oder gute Schuhe. Es sind Lastwagenfahrer, Mechaniker und kleine Büroangestellte. Aber ich weiß jetzt, dass nicht alles der Wahrheit entspricht, was wir sehen. Faizal hat mich gelehrt, dass ein Mann in feinen Sachen durchaus in einem schlechten Zimmer wohnen kann und dass sein ganzer Besitz die Sachen sind, die er am Leib trägt. Damals beim Kaufmann hätte ich klüger sein und nicht an Träume glauben sollen. Viele dieser armen Männer wären besser gewesen als Faizal.
Jetzt muss ich sparen. Mit dem Kleiderkaufen ist es vorbei. Und ich muss etwas unternehmen. Ich kann hier nicht länger arbeiten. Die Bezahlung ist zu schlecht, und ich muss Geld nach Hause schicken, damit es Halima gut geht. Außerdem will ich in meinem Leben weiterkommen – es ist nicht gut, wenn andere darüber entscheiden, wie dein Leben sich entwickelt. Ich muss lernen, meinen eigenen Weg zu finden. Ich will im KNCU -Gebäude am Clock-Tower-Kreisel Englisch lernen, aber das ist teuer. Ich habe Geld zurückgelegt, aber soll ich es verwenden? Auf
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