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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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zu müssen. Ich gehe zu dem großen Tisch, der unter einem Baum im Schatten steht. Ich konzentriere mich darauf, den mzungu nicht anzusehen. Was soll ich zu ihm sagen? Er geht zum Tresen und bezahlt. Ich drehe mich nicht um. Er kommt zurück, auf mich zu – ich höre die Schritte auf dem Boden. Er legt eine Hand auf die Stuhllehne und beugt sich über mich.
    »Warum sitzt du hier, wenn ich dort drüben sitze?«, fragt er auf Swahili.
    »Ich weiß nicht. Ich dachte nur, du wolltest allein sein.«
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich mich setze?«
    »Nein.«
    »Das ist gut«, sagt er und setzt sich. »Ich heiße Christian. Und du?«
    »Rachel.«
    »Und wo wohnst du, Rachel?«
    »Unten in Majengo.« Vielleicht weiß er nicht, dass es ein schlechter Ort zum Wohnen ist.
    »Mit deiner Familie?«
    »Bei meiner Tante und ihrer Tochter.« Ich weiß nicht, warum ich lüge, aber ich glaube, das hört sich am besten an.
    »Tanzt du?«
    »Ja.«
    »Das Liberty ist wieder geöffnet, gehst du am Wochenende hin?«
    »Ist das da unten auf der anderen Seite des Clock-Tower-Kreisels?«
    »Ja.«
    »Ich weiß nicht«, antworte ich und warte, dass er mich einlädt. Wenn er mich fragt, wo ich wohne, kann er mich auch abholen. Oh, es muss funktionieren, damit ich nicht …
    »Ich weiß es auch noch nicht so genau«, sagt er. »Möglicherweise habe ich in Arusha etwas zu erledigen, vielleicht komme ich erst Samstag ins Liberty.«
    Christian verabschiedet sich und geht. Wie kann ich Freitag und Samstag im Liberty sein, wenn er nicht kommt? Das ist ohne Geld unmöglich. Ich muss dort sein. Ich muss mich an die Bar auf der Veranda setzen, dort kostet es keinen Eintritt – Eintritt muss nur bezahlt werden, wenn man in die eigentliche Diskothek will. Aber soll ich zwei Abende dort sitzen und in eine Cola spucken? Wenn Salama sieht, dass ich mir Cola kaufe, wird sie wütend; all das Geld, das ich nicht habe, schulde ich ihr.
    44.
    »Du kannst hier nicht mehr arbeiten. Verschwinde«, erklärt mir mama mtilie am nächsten Morgen.
    »Aber wieso?«
    »Du bist ein schmutziges Mädchen, eine malaya . So jemand kann meinen Gästen kein Essen servieren.« Woher weiß sie das?
    »Ich bin keine malaya , niemals!«
    »Alle wissen, was du im KNCU -Hotel getrieben hast. Die ganze Straße spricht darüber, wie schmutzig du bist.«
    Ich? Und was ist mit Mbuya? Ist er ganz sauber? Er hat mich belogen, mich benutzt, mich betrogen – aber er ist ein bwana mkubwa mit Geld in den Taschen, darum verbeugen sich alle, als wäre er Gott.
    »Ich will mein Geld, meinen Lohn.«
    »Geld? Du verdienst dein Geld doch auf andere Weise!«
    »Ich gehe zur Polizei.«
    »Polizei? Denen ist eine malaya wie du egal.«
    »Ich gehe zum Pastor und sage ihm, dass du meinen Lohn stiehlst.«
    »Ach, halt den Mund!«, sagt sie und holt Geld aus ihrer kleinen Kasse, wirft es auf den Boden. Ich sammele es auf. Gehe, bevor mir die Tränen kommen, sie soll sie nicht sehen. Ich gehe zur Tante auf den Markt.
    »Kann ich eine Weile bei euch wohnen, ich habe meine Arbeit verloren?«
    »Du! Dich will ich nicht in meinem Haus haben! Ich schäme mich, mit dir in einer Familie zu sein. Du bist schmutzig und böse. Ich weiß alles über dich. Du bist eine malaya . Durch und durch.«
    »Ich bin keine malaya .«
    »Und wie nennst du das, wenn man für Geld die Beine breit macht?«
    »Ich hatte einen Mann, wir waren zusammen. Aber nicht für Geld.«
    »Glaubst du, dieser Mann will ein dummes Mädchen wie dich? Du bist eine malaya – und wenn du kein Geld bekommen hast, dann bist du noch dümmer, als ich dachte.« Alle Leute schauen uns an.
    »Ja. Vielleicht bin ich dumm. Aber du bist die Schwester meiner Mutter, und ich brauche deine Hilfe, damit mein Leben wieder richtig werden kann.«
    »Ich bin froh, dass meine Schwester bei Gott ist«, entgegnet die Tante. »Sie wäre vor Scham gestorben, wenn sie dich gesehen hätte.«
    So etwas sagt sie über meine Mutter. PAH – ich schlage ihr mitten ins Gesicht.
    » Shetani «, sage ich – Satan – und spucke sie an, drehe mich um und gehe.
    »Ich schreibe deinem Vater!«, ruft sie mir nach.
    Sie glaubt, sie betreibt Gottes Werk, aber es ist Satans.
    45.
    »Ich brauche das Geld, Rachel. Ich muss es unbedingt zurückhaben«, sagt Salama.
    »Aber … im Augenblick habe ich es nicht.«
    »Es ist Alwyns Geld. Er will es jetzt zurück – sonst schlägt er mich.« Alwyns?
    »Wieso hast du mir Alwyns Geld geliehen?«
    » Tsk . Du hast so gebettelt und geheult, dass

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