Revolution - Erzählungen
was ich habe. Ich setze mich an einen anderen Tisch und schaue zu ihm hinüber. Er dreht mir den Kopf zu und sieht mir direkt in die Augen. Ich wende den Blick nicht ab. Er denkt das, was alle Männer denken.
Sie essen auf.
»Komm her!«, ruft Marcus. Ich gehe zu ihnen. »Wie heißt du?«
»Rachel«, sage ich. Der mzungu bezahlt das Essen, aber es ist ein großer Schein, er hat noch Wechselgeld zu bekommen.
»Stimmt so«, sagt er auf Swahili.
»Danke.« Erst die Limonade und jetzt das hohe Trinkgeld. Er ist noch nicht alt. Aber Geld hat er, obwohl er in abgetragenen Sachen herumläuft.
»Wie findest du meinen mzungu ?«, will Marcus wissen.
»Ich weiß nicht«, erwidere ich.
»Doch, sag schon.« Ich schlage die Augen nieder.
»Ich kann ihn gut leiden«, sage ich, drehe mich um und gehe.
»Na bitte!«, ruft der mzungu Marcus auf Swahili zu, sie lachen.
42.
Faizal hat mich noch nicht entdeckt. Wie beim ersten Mal im Moshi Hotel ist er umringt von Mädchen, die glauben, dass ihm all die Musikmaschinen gehören und er das große Geld hat. Er ist ein hartnäckiger Lügner.
»Vier Bier«, bestellt Alwyn bei der Kellnerin.
»Ich möchte nur eine Limonade«, sage ich. Die Kellnerin schaut erst mich an, dann Alwyn.
»Vier Bier«, wiederholt er. Er bezahlt, also bestimmt er. Salama ist auch mitgekommen, und Tito – Alwyns großer, blauschwarzer Helfer, der mich ins New Castle Hotel gefahren hat, als ich das erste Mal mit einem bwana mkubwa zu Abend essen sollte und geflohen bin. Wir sitzen auf der großen erhöhten Terrasse an einem Tisch unter freiem Himmel. Sie wird begrenzt durch schöne grüne Pflanzen, so dass man die Party nicht sehen kann, wenn man auf der Straße vorbeiläuft – nur das Geräusch lockt.
»Los, tanz mit Salama«, fordert Alwyn mich auf. Wir gehen auf die Tanzfläche. Die Männer studieren uns. Ich sehe Rogarth auf die Terrasse kommen, zusammen mit einem bwana mkubwa . Ich habe mit Rogarth nicht mehr geredet, seit es mit bwana Mbuya schiefging, obwohl ich genau weiß, dass es nicht seine Schuld war. Aber Rogarth ist lediglich ein Laufbursche der reichen Männer – er kann mir nicht helfen.
Hier gibt es auch wazungu -Männer, etwas älter und betrunken – sie arbeiten für europäische Entwicklungsprojekte in Moshi. Salama guckt einem von ihnen in die Augen, und ich sehe, wie er ihren Körper studiert.
»Diese wazungu sind verheiratet«, sage ich. »Ich habe sie auf dem Markt mit ihren Ehefrauen gesehen.«
»Ja«, erwidert Salama. »Aber die weißen Frauen haben keinen Arsch und tanzen wie ein Stück Holz. Der weiße Mann träumt ständig von den erotischen Mädchen aus Afrika.«
»Um sie eine Nacht lang zu benutzen – tsk .«
»Nicht immer nur eine Nacht. Ein paar wazungu lassen sich scheiden, wenn sie das schwarze Wunder erlebt haben. Und dann heiraten sie das schwarze Mädchen und nehmen es mit nach Europa«, behauptet Salama.
»Sie heiraten ein Mädchen, obwohl sie wissen, dass sie eine malaya ist? Das stimmt doch nicht.«
»Du weißt gar nichts. Einem mzungu sagst du nicht, dass du Seifengeld haben willst. Du sagst nur, du arbeitest in einem Büro. Er macht dir automatisch Geschenke. Du erlebst interessante Dinge. Und wenn er dich mag, kannst du alles von ihm haben.«
»Aber nicht, wenn man ein Kind hat«, wende ich ein.
»Einem Mädchen hier aus Moshi, die ein Kind hatte, ist das passiert. Sie hat einen Weißen geheiratet und ist jetzt mit dem Kind in Europa.«
»Aber diese Männer sind alt!«
»Alt ist gut. Dann können sie sterben, und du erbst alles.«
Salama ist wahnsinnig. Wie kann man mit einem alten Schwein zusammen sein? An der Bar stehen vier wazungu , Touristen – zwei Männer und zwei Mädchen. Sie tragen T-Shirts mit dem Bild des Kilimandscharo und sind sehr braungebrannt. Bestimmt sind sie gerade vom Gipfel gekommen. Alle waafrika tragen ihre besten Sachen – auch die armen Burschen, die in ihrer Sonntagskleidung in die Disco gehen. Aber diese wazungu laufen in dreckigen Stiefeln und abgetragenen Hosen herum. Ich habe es noch nie verstanden, der weiße Reichtum ist einfach wahnsinnig. Ich kenne ihn genau, ich habe ihn nicht nur im Kino, sondern mit meinen eigenen Augen gesehen. Edward hat mich zwei Wochen zur Probe bei ihm arbeiten lassen, kurz bevor er krank wurde. Er wollte sehen, ob es etwas für mich wäre, denn ich hatte viel zu lange nur zu Hause gesessen. Es ging um eine Campingtour in der Serengeti und im Ngorongoro für wazungu aus Amerika.
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