Revolution - Erzählungen
nicht eingeladen. Eines Tages sehe ich sie mit ihrer Schwiegermutter in der Stadt einkaufen. Anna wendet den Blick ab, als sie mich entdeckt. Niemand soll wissen, dass sie mit einer malaya verwandt ist.
Abends kümmert sich Tito um mich. Er hat kein Auto wie Alwyn, er fährt Taxi. Ich werde bei Salama abgeholt und irgendwo hingefahren: ein Haus in Shanty Town, ein Guesthouse in Soweto, eine Villa in Old Moshi. Dicke, reiche Männer. Kann man so leben? Ich bin so, wie Alwyn es gesagt hat. Das Geld wechselt unter Geschäftsleuten die Hände – in der gefährlichen Stadt bezahlt der Mann doch nur den Beschützer und Fahrer des kleinen Mädchens. Und zwischen dem Mann und dem Mädchen wächst die Lust, weil der Mann sehr bedeutend ist: Das kleine Dorfmädchen ist einfach überwältigt und sucht die Umarmung des großen Mannes. Hätte ich keine Lust, würde ich lediglich einen Abend in angenehmer Gesellschaft mit ein wenig Konversation verbringen. Doch die Lust lässt mich tanzen, deshalb ziehe ich mich nackt aus vor dem Mann. Und wieso liebe ich immer wieder einen anderen Mann und will seine Pumpe in jeder Körperöffnung? Es ist ein riesengroßer Betrug, Heuchelei. Die aber Geld bringt. Für die Miete und fürs Essen, um Halima etwas zu schicken, um den Friseur zu bezahlen, für ein neues Kleid und neue Schuhe. Für Cola mit Konyagi. Für gutes Essen. Für Seife, damit ich das Hässliche abwaschen und mich im Zimmer mit Salamas Kassettenrecorder bei Zaire-Rock entspannen kann. Ich denke an … ich will nicht denken.
47.
Am Samstag sagt Alwyn, dass ich mit Tito ins Liberty gehen soll.
»Wieso?«
»Du sollst gezeigt werden.«
»Im Liberty? Das ist kein guter Platz«, erwidere ich – der mzungu Christian darf mich nicht so sehen.
»Die Männer sollen dich einfach angucken. Du musst nicht arbeiten – erst später. Salama kommt auch mit.« Was soll ich sagen.
Wir sitzen im Liberty; der Sound ist schlecht, und das Publikum hat auch keine Klasse. Ich tanze eine Weile mit Salama und setze mich wieder neben Tito. Hier gibt es dicke Fische im Meer – wabwana wakubwa , die sich nach Mädchen umsehen. Wen möchten sie gern kaufen? Dann sehe ich einen mzungu auf der anderen Seite des Lokals. Ist es Christian? Weiße sind schwer wiederzuerkennen. Er ist es! Marcus sitzt mit ihm am Tisch. Sie reden und lachen. Christian gibt der Kellnerin ein Zeichen und kauft Bier für Marcus und sich. Christian ist nicht so alt wie die weißen Männer, die einfach nur junge schwarze Mädchen pumpen wollen. Christian ist jung. Ich würde gern mit diesem mzungu reden, aber wie, ich kann doch kaum Englisch. Es ist unmöglich. Und Tito behält mich im Auge – was würde er sagen, wenn ich mit einem weißen Mann flirte? Salama steht dicht bei dem mzungu in einem sehr kurzen strammen Kleid am Rand der Tanzfläche – sie rotiert in den Kugellagern. Der mzungu sagt etwas zu Marcus und steht auf – geht über die Tanzfläche auf die Toilette. Salama spricht mit Marcus, der den Kopf schüttelt und sie wegscheucht. Mein mzungu will so eine malaya nicht. Er will Rachel – hoffe ich.
»Ich muss mal aufs Klo«, sage ich zu Tito, gehe hinaus und stelle mich direkt hinter die Tür der Damentoilette. Als er herauskommt, tauche ich gleichzeitig auf und stoße beinahe mit ihm zusammen.
»Rachel!«, sagt er überrascht.
»Christian! Du bist gekommen.« Ich werfe mich ihm an den Hals. Er legt seine Arme um mich. Ich drücke ihn an mich, damit er alles spürt, was ich an mir habe. Ich lächele. Die Musik ist laut. Ich versuche ihm zu erklären, dass ich mit einem Freund hier bin. Tito wartet. Ich sage, ich müsse zurück zu meinem Freund. Aber Christian folgt mir, das ist nicht gut. Er begrüßt Tito, der ein wütendes Gesicht zieht.
»Du!«, sagt er. »Du willst mein Mädchen doch nur benutzen!«
»Was?«, fragt Christian.
»Du wirst das schwarze Mädchen doch nur pumpen und sie dann verlassen«, übertönt Tito die Musik.
»Nein«, antwortet Christian, legt Tito eine Hand auf die Schulter und beugt sich vor, damit Tito ihn hören kann: »Du irrst dich vollkommen.« Tito schaut auf die weiße Hand, bis Christian sie zurückzieht.
»Ich irre mich nicht. Ihr Weißen seid schlechte Menschen, die unsere Mädchen nur missbrauchen. Und hinterher sind sie euch dann egal.«
»So ist das nicht«, entgegnet Christian auf Swahili und schaut mich an, während er ins Lokal zeigt. »Ich sitze dort drüben mit Marcus; du kannst ihm gern guten Tag sagen, wenn
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