Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Carla und setzt dabei ihren Erdkundelehrerinnen-Blick auf. Dazu das portugiesische Gedudel aus dem Lautsprecher über mir. Sie weiß genau, wie sie mich weich kriegt.
»Okay«, sage ich. »Wann?«
»Heute Abend. Er kommt hierher. Ich habe angedeutet, dass nette Menschen da sein werden. Und wenn ich den Laden dann um zehn zumache, könnt ihr beiden Hübschen noch schön woanders hingehen. Ein Ortswechsel ist immer gut bei ersten Dates. Das nimmt den Druck raus, weißt du?«
Meine Freundin hat echt einen Knall. Ich schätze, Carla sucht um einiges dringender nach einer Frau für den armen Kerl als er selbst.
»Heute Abend kann ich nicht«, sage ich. »Am Hafen liegt eine Tote, und ich muss mich ein bisschen auf dem Strich umhören.«
»Oh, scheiße, Baby. Schlimme Tote?«
»Ein Mord ist immer schlimm, Carla.«
»Ja, klar, aber ist sie einfach nur tot oder auch heftig zugerichtet?«
Für Carla ist mein Job ein einziger großer Samstagabendfilm.
»Richtig heftig zugerichtet. Sie ist nackt und hat keinen Skalp mehr, dafür aber eine blaue Perücke auf dem Kopf.«
»Wie abgefahren …« Carla macht große Augen und große Brüste.
»Carla!«
»Entschuldige«, sagt sie. »Aber warum musst du auch immer solche entsetzlichen Fälle haben?«
»Das liegt daran, dass ich für entsetzliche Fälle zuständig bin, Carla.«
»Willst du was essen?«, fragt sie.
»Nein«, sage ich. »Lieber nicht. Und halt bloß die Schnauze wegen der Toten. Du weißt, dass ich nicht drüber reden darf.«
Sie grinst und tut so, als würde sie ihren Mund mit einem imaginären Schlüssel abschließen und den dann hinter sich werfen.
Carla hat mich zu Schinkentoast gezwungen. Manchmal wünsche ich mir, sie würde endlich ein Kind bekommen, dann wäre ich aus der Fürsorge raus. Mir ist immer noch schlecht, und so langsam kommt auch der Kater an, den ich letzte Nacht bestellt habe. Mir ist ganz zittrig, und der Schmerz in meinem Kopf hat eine Tonspur bekommen. Geschieht mir recht, ich habe mich nicht an den Rat meines Vaters gehalten. Er hat mir alles beigebracht, was er für wichtig hielt, unter anderem, dass Alkohol durchsichtig sein muss. Ich weiß auch nicht, warum es gestern unbedingt dieses dunkle Zeug mit der Eidechse auf der Flasche sein musste. Mir war einfach danach, und mein Tresennachbar mochte es auch, und nach drei Gläsern sagte er: »Ich wär dann so weit.«
»Wie weit?«, fragte ich.
»Wir können jetzt reden«, sagte er. Gegen halb vier war alles gesagt und die Pulle leer.
Ich kann das Schlüsselloch nicht finden und frage mich, wann dieser idiotische Hausmeister endlich die Treppenhausbeleuchtung wieder fit macht.
»Na so was: meine Lieblingsnachbarin.«
Klatsche. Wo kommt der denn plötzlich her?
»Wo kommst du denn plötzlich her?«
Er sitzt auf der schmuddeligen Holztreppe und spielt den Gigolo. Seine struppigen dunkelblonden Haare könnten mal wieder einen Schnitt gebrauchen und fallen ihm in die Stirn. Sein junges Gesicht trägt Spuren von viel zu früh erwachsen, und er ist wie immer von Herzen unrasiert. Er verbringt einen Großteil seiner Zeit damit, Frauen um den Verstand zu bringen, und das macht er ziemlich gut, der kleine Ganove. Klatsche hat eine amtliche Gaunerkarriere hinter sich. Mit vierzehn ist er das erste Mal irgendwo in Blankenese in eine Villa eingestiegen, Mutprobe. Das ist ihm so leichtgefallen, dass er es von da an öfter machte, und mit sechzehn verdiente er gutes Geld damit, in der Garage seiner ewig besoffenen Eltern Geräte zu verkaufen, Fernseher, Stereoanlagen, Computer, offiziell alles schön vom Lastwagen gefallen. Als er siebzehn war, haben sie ihn zum ersten Mal geschnappt, er hatte eine Alarmanlage übersehen. Ein halbes Jahr später noch mal, da ging es um einen Container mit Radios, irgendwer hatte ihn verpfiffen, und das dritte Mal erwischten sie ihn, als er gerade dabei war, ein Lager mit Fotokopierern auszuräumen, alleine. Er war übermütig geworden, wollte zum gefeierten Einbrecherkönig werden. Sie brummten ihm neun Monate auf. Danach hatte er die Schnauze gestrichen voll. Und er bekommt seitdem sofort Beklemmungen, wenn er hinter einer geschlossenen Tür sitzt. Er sagt immer, dass der Knast die schlimmste Zeit seines Lebens war, dass er da nie wieder hin will, unter keinen Umständen, dass er lieber sterben würde als noch mal seine Freiheit verlieren. Er hörte also auf mit der Einbrecherei und machte einen Schlüsseldienst auf. Sein Laden läuft spitze. Es gibt
Weitere Kostenlose Bücher