Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Mädchen hinterher. Ich sehe, wie John mit der Tänzerin redet. Sie lächelt ihn an, dann lacht sie. Es sieht alles total ungefährlich aus. Sie wirkt so arglos. Aber ganz ehrlich: Von dem würde ich mich auch ansprechen lassen.
Ich wüsste gerne, was er ihr erzählt, ihrem Gesichtsausdruck nach muss es sehr lustig und charmant sein. Sie lacht schon wieder, und sie legt ihre Hand auf seinen Unterarm. Es sieht fast so aus, als wären sie befreundet, als würden sie sich schon lange kennen. Wenn wir nicht zu fünft hinter ihnen her wären, könnte man meinen, alles wäre völlig normal. Sie setzen sich wieder in Bewegung, sie reden und gehen nebeneinander her und biegen in den Hamburger Berg ein, hier wird sich auch an einem Dienstagabend amüsiert, hier ist eine Kneipe neben der anderen, hier tobt immer das Leben, hier können alle machen, was sie wollen und wie lange sie wollen.
In meinem Kopf ist es auf eine seltsame Art still, als wären all die Geräusche um mich herum ausgeblendet. Ich habe das Gefühl, mich in einer Blase zu befinden, ich höre nur meinen Atem, ich sehe nur John und die Tänzerin klar vor mir, alles andere liegt im Nebel und ist ziemlich unscharf. Meine Hand fasst in meine neblige Umgebung und findet Klatsches Hand. Er greift sie und hält sie fest.
Der Lechner dreht sich im Gehen kurz zu uns um, schaut mich an, zieht die Augenbrauen hoch und macht mit der Hand dieses furchtbare, aber international verständliche Telefonzeichen. Ich gehe davon aus, dass er jetzt nicht mit mir telefonieren möchte, sondern will, dass ich Verstärkung von der Kripo rufe. Ich nicke ihm zu, hole mein Telefon aus der Manteltasche und rufe den Calabretta an.
»Pronto?«
»Sind Sie einsatzbereit?«, frage ich.
»Ja, Chef«, sagt er, »kein Problem.«
»Wir sind auf dem Kiez«, sage ich, »und wir sind an John Zandvoort dran. Rufen Sie bitte den Brückner und den Schulle an. Kann sein, dass wir Sie demnächst hier brauchen.«
»Geht in Ordnung«, sagt er, »ich informiere die Kollegen.«
Ich lege auf und nehme Klatsches Hand. Auf halber Höhe der Straße bleiben John und die Tänzerin vor einer Bar stehen. Es ist der Herzensbrecher, eine Kiezkneipe mit einer uralten Seele, ich mag den Laden sehr, und es empört mich fast ein bisschen, dass der jungen Frau eine Gefahr drohen könnte, wenn sie dort hineingeht. Ich will das nicht glauben. John hält ihr die Tür auf, sie gehen rein. Der Lechner schiebt sich in den danebenliegenden Hauseingang, dreht sich eine Zigarette und wartet, bis Klatsche und ich bei ihm sind. Sein Gesicht wirkt hart und angespannt.
»Ich werde da jetzt auch reingehen und auf die junge Frau achtgeben«, sagt er. »Sie bleiben bitte hier draußen und beobachten die Tür. Wenn die beiden den Laden verlassen, verfolgen wir sie in der gleichen Formation wie eben. Und Sie sollten Ihren Leuten dann schon mal durchgeben, wo es ungefähr hingeht.«
Hinter uns schlendern der Lotter und der Kurbjuweit lang.
»Glauben Sie, wir liegen richtig?«, frage ich.
»Lassen Sie uns einfach beten, dass es so ist«, sagt er, »und dass nicht gerade jetzt ein anderer Mann das Acapulco betritt und unsere Theorie Lügen straft.«
»Der Pliquett ist dort und passt gut auf«, sage ich, »und nehmen Sie nicht die ganze Verantwortung auf Ihre Kappe. Ich bin dabei. Wir stellen uns dann auf die andere Straßenseite, ja?«
Der Lechner nickt und verschwindet im Herzensbrecher. Klatsche und ich überqueren die Straße. Ich werfe dem Kurbjuweit einen möglichst vielsagenden Blick zu und fühle mich ein bisschen wie Nick Knatterton. Wir lehnen uns an eine Hauswand, und ich bemühe mich, ruhig zu atmen. Klatsche sagt kein Wort, aber er hält weiter meine Hand. Ich drücke seine Hand etwas fester, er drückt zurück, wir sehen uns kurz an, und irgendwie geht’s mir ein bisschen besser. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass das zarte Monster sich hinter einer geschlossenen Kneipentür befindet und kurzzeitig nicht so fühlbar ist. Wir konzentrieren uns auf die Tür vom Herzensbrecher und lassen sie nicht mehr aus den Augen.
Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, es ist kurz nach Mitternacht, als John und die Tänzerin die Bar verlassen. Sie wirkt gelöst und leicht angeschickert, er scheint sie prächtig zu unterhalten. Sie gehen den Hamburger Berg wieder zurück in Richtung Reeperbahn, der Lechner kommt aus der Kneipe, wir nicken uns zu, der Lotter und der Kurbjuweit sehen es, und gemeinsam heften wir uns John und dem
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