Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
den Calabretta an. Cool bleiben. Jetzt verdammt cool bleiben.
Drei Minuten später steigen der Calabretta und der Brückner und der Schulle aus zwei zivilen Wagen. Der Lotter und der Kurbjuweit tauchen aus der Dunkelheit auf und sind auch wieder bei uns. Die Luft ist so dicht, man könnte sie in Scheiben schneiden und aufs Brot legen.
»Los«, sage ich, »gehen wir rein.«
Der Lechner und der Calabretta bleiben unten und sichern die Tür, der Lotter und der Kurbjuweit behalten das Haus von der gegenüberliegenden Straßenseite aus im Blick, der Brückner, der Schulle, Klatsche und ich steigen in den Aufzug und fahren in den fünften Stock. Wir kommen oben alle nacheinander aus dem Aufzug, keiner gibt einen Ton von sich.
»Hier hoch«, sage ich, wir gehen an Zandvoorts Tür vorbei und schleichen die Stufen zu Johns Dachgeschosswohnung hoch. Auf der Hälfte sackt mir das Blut aus dem Körper, ich habe Gefühl, gleich umzukippen, und halte mich an der Wand fest. Klatsche greift mir von hinten unter den Arm.
»Geht’s?«
Ich nicke und halte mich weiter fest.
Klatsche zückt wieder den Dietrich, und als die Kollegen von der Kripo nicken, geht er vor, der Brückner und der Schulle hinterher, sie zücken ihre Knarren, ich klebe an der Wand. Machen wir uns nichts vor: Ich will da nicht rein.
Der Schulle dreht sich zu mir um.
»Sie müssen da nicht mit rein, Chef«, flüstert er.
»Doch«, flüstere ich, »ich muss es sehen.«
Ich kann hören, wie Klatsche sich ganz vorsichtig und ganz leise an der Wohnungstür zu schaffen macht. Dann ein Klickgeräusch, ein Kreischen, die Tänzerin, die Stimmen vom Brückner und vom Schulle, es ist laut, es ist ein aufgeregtes Gebrülle und ein Durcheinander, und dann wird es wieder ruhig, nur noch ein leises Wimmern dringt ins Treppenhaus. Ich atme tief ein und wieder aus und steige die fünf Stufen zum Dachgeschoss hoch und gehe durch die Tür. Die Tänzerin sitzt stocksteif auf einem Sofa am Fenster. Sie hat die Augen weit aufgerissen und starrt auf die Szenerie, Klatsche sitzt neben ihr, hat seinen Arm auf ihren Rücken gelegt und versucht, sie zu beruhigen.
John steht mit Gesicht und erhobenen Händen zur Wand, der Brückner hat seine Waffe auf ihn gerichtet, der Schulle durchsucht ihn. John zittert, und er weint. Ich bleibe erst mal an der Tür stehen und sehe mir das picobello aufgeräumte Einzimmerappartement an. Außer dem Sofa gibt es noch einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen, auf einem Sideboard stehen zwei Gläser, eine Flasche Gin und eine Flasche Tonic. In der hinteren Ecke des Zimmers steht ein schmaler, hoher Schrank.
Der Schulle greift in die Taschen von Johns Jeans. Aus der linken Tasche zieht er zwei kräftige Kabelbinder. Aus der rechten eine Packung Tabletten. Auf der Pappschachtel steht: Phenobarbital.
»Na bitte«, sagt er.
Er erklärt ihm seine Rechte, zieht ihm die Hände auf den Rücken und legt ihm Handschellen an.
John hält die Augen geschlossen und gibt keinen Mucks mehr von sich. Es ist fast, als wäre er gar nicht anwesend.
Der Brückner lässt die Waffe sinken und sieht mich an. Ich nicke.
»Mitkommen«, sagt der Schulle, und dann führen sie ihn ab. Als sie an mir vorbeigehen, sieht John mir in die Augen. Sein Blick ist leer, dunkel und so traurig, dass man damit dieses Haus hier zum Einsturz bringen könnte.
Ich rufe den Faller und die Spurensicherung an. Klatsche sitzt immer noch mit der Tänzerin auf dem Sofa, er hat immer noch seinen Arm auf ihrem Rücken. Sie starrt vor sich hin und bewegt ihren Oberkörper vor und zurück, immer wieder, vor, zurück. Sie scheint langsam zu begreifen, dass sie Glück gehabt hat. Ich setze mich neben sie. Mir ist kotzübel.
»Es ist vorbei«, sagt Klatsche, »es ist vorbei.«
Ich bin mir nicht sicher, zu wem er das sagt, ob er es zu ihr sagt oder zu mir. Ich höre, wie der Calabretta und der Lechner die Stufen hochrennen. Der Calabretta bleibt in der Tür stehen und sieht sich den Raum an. Der Lechner kommt zu uns rüber. Er zeigt mit dem Kopf auf die Tänzerin und sagt:
»Soll ich die junge Dame ins Präsidium bringen?«
»Nein«, sage ich, »schon gut. Wir lassen sie von einer Kollegin nach Hause fahren. Calabretta, regeln Sie das?«
Der Calabretta nickt, holt sein Telefon raus und ruft bei der Bereitschaft an.
»Dann geh ich mal den Pliquett aus dem Stripschuppen holen«, sagt der Lechner.
»Machen Sie das«, sage ich, »und danke.«
Die Tänzerin sieht ihn an.
»Sie waren jeden Abend
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