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Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Mädchen an die Fersen. Sie überqueren die Reeperbahn, hüpfen wie Kinder über die vierspurige Straße.
    Als wir auch drüben auf der anderen Seite sind, rufe ich den Calabretta an.
    »Wir sind schon mit zwei Wagen auf dem Weg nach Sankt Pauli«, sagt er, »ungefähre Richtung?«
    »Südlich der Reeperbahn«, sage ich, »Richtung Silbersack.«
    »Okay«, sagt er, »wir sind dann in der Nähe.«
    Sie laufen den Silbersack lang bis zum Hein-Köllisch-Platz. Der Platz ist eine friedliche Insel im Partytrubel. In den paar Restaurants und Cafés wird sich für Kiezverhältnisse erstaunlich kultiviert verhalten. Und die japanischen Kirschbäume bilden rund um den Platz einen erhabenen Kreis und warten schon darauf, bald ihre rosa Pracht entfalten zu dürfen. Es ist ganz ruhig hier, um diese Uhrzeit sind auf dem Platz kaum noch Leute unterwegs. Ab jetzt müssen wir sehr vorsichtig sein.
    Der Lechner zeigt, wie das geht. John und die Tänzerin laufen in der Mitte des Platzes in Richtung Elbe, der Lechner folgt ihnen in zwanzig Metern Abstand und hält sich seitlich, Klatsche und ich halten uns noch mal zehn Meter dahinter, der Lotter und der Kurbjuweit lassen sich zurückfallen. John und das Mädchen sind jetzt in der Antonistraße, dort wird es ziemlich eng, wir können uns nicht mehr so gut verteilen. Der Lechner torkelt ein bisschen, er gibt den Besoffenen. Wir geben das Liebespaar und setzen uns auf eine Bank. Die üblichen Statisten der Nacht. Der Lotter und der Kurbjuweit sind nicht mehr zu sehen. Das Ende der Antonistraße gibt den Blick auf den Hafen frei. Und uns leider keine guten Verstecke mehr.
    Der Mond ist plötzlich durch die Wolken gebrochen und macht ein ziemliches Licht. In diesem Licht liegen: eine Verkehrsinsel, ein Stück künstliche Wiese, ein paar Plastikpalmen, der Fußgängerüberweg zur Elbe und links das Haus, in dem Zandvoort wohnt, mit Johns Appartement im Dachgeschoss. Alle Fenster im Haus sind dunkel, keiner da. Und ob ich’s wahrhaben will oder nicht: John ist dabei, die Tänzerin mit in das leere Haus zu nehmen. Sie steuern auf die Haustür zu.
    Während unseres ganzen Weges hierher hatte ich gehofft, dass es sich einfach auflösen würde. Dass sie noch etwas spazieren gehen, vielleicht noch einen Absacker in einer Bar nehmen, und dass sie sich dann verabschieden. Dass sie ihm noch mal winkt, und er winkt zurück, und tschüs, war nett, dich zu treffen. Und wir haben uns geirrt. Ich starre auf ihren Hinterkopf, der ungefähr dreißig Meter von mir entfernt ist, und ich denke: Hau ab. Geh einfach schnell weg. Als könnte ich damit die Sache noch umbiegen.
    Das Gefühl, dass wir sie benutzen, steigt in mir auf, es ist ein ekelhaftes Gefühl. Sie verhält sich kein bisschen wie ein abgebrühter Lockvogel. Ich weiß gar nicht, wie das sein kann. Sie muss doch wissen, mit wem sie da im Zweifel mitgeht. Aber er scheint ihr so harmlos und liebenswert vorzukommen, dass sie wohl total vergessen hat, wer er sein könnte. Sie scheint wirklich absolut nichts Böses zu vermuten. Am liebsten würde ich schreien. Halt, stopp, Schnitt, Film aus. Ich müsste nur einen einzigen Schrei tun, und der Spuk hier wäre vorbei. Wir haben Reifenspuren, wir haben DNA, und wenn die von John stammt, reicht das. Aber ich weiß natürlich, dass ein Zugriff auf frischer Tat viel besser ist. Dann gibt’s nichts mehr zu deuten. Und morgen ist alles vorbei. Er tut mir so leid. Es ist verrückt, aber er tut mir einfach so wahnsinnig leid.
    Der Lechner fängt an zu taumeln, lässt sich auf der kleinen Verkehrsinsel ins Gras fallen und rülpst. Sie bemerken ihn und kichern. Klatsche und ich verschwinden im Hauseingang gegenüber. John ist jetzt mit dem Mädchen an der Haustür. Er schließt die Tür auf, und sie gehen rein. Ich kann kaum atmen, und ich glaube, mein Herz setzt gleich aus. Der Lechner rappelt sich schnell auf und sprintet zur Tür, erwischt sie aber nicht mehr, bevor sie zufällt.
    »Scheiße«, sagt er.
    Wir huschen zu ihm rüber, ich bemühe mich, das Atmen nicht zu vergessen, Klatsche hält mit der einen Hand meine Hand fest, mit der anderen holt er seinen Dietrich aus der Jackentasche.
    »Hey«, sagt der Lechner, »warum sagen Sie nicht gleich, dass Sie so was dabeihaben?«
    Klatsche sieht mich an.
    »Soll ich direkt loslegen?«
    »Warte noch«, höre ich mich sagen, »geben wir ihm fünf Minuten Zeit.«
    Nein, denke ich.
    »Zehn könnten zu lang sein«, sagt der Lechner.
    »Ich weiß«, sage ich und rufe

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