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Rhanmarú - Das tote Land (German Edition)

Rhanmarú - Das tote Land (German Edition)

Titel: Rhanmarú - Das tote Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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Widerstand. Das Schwert durchschlug nur
Luft. Er schluckte entsetzt. Lennart packte Holly und zog sie zu sich in den Sattel.
Ihr eigenes Reittier war schon mit den Vorderläufen in den Knochen verschwunden.
Die Schmerzenslaute des Tieres gingen durch Mark und Bein. Sie klangen wie
Schreie eines Säuglings. Die Jugendlichen trieben ihre Jagos erneut an. Immer
mehr Klauenhände schraubten sich neben ihnen an die Luft.
    »Hierher!«, schrie Lynnea. »Hier sind Steine.«
    Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte Gerrit sich, eine Peitsche zu haben:
Sein Reittier drohte immer wieder auszubrechen. Ein unsichtbarer Flügelschlag
fegte ihn fast aus dem Sattel. Er legte sich fest auf den Hals des Jagos.
    Lennarts Tier bäumte sich auf. Es gelang ihm gerade noch, sowohl Holly als
auch die Zügel halten zu können. Sie beugte sich herunter und strich beruhigend
über den Kopf des Tieres.
    »Vorsicht!«, kreischte Gerrit.
    Lennart riss seinen Jago hart nach links, und sie entgingen knapp einer weiteren
Klaue.
    »Guter Gott«, keuchte der Trainer.
    Mehrere Krallenhände kamen gleichzeitig vor Gerrit aus dem Boden. Der zerrte
wie wild an den Zügeln. Panik stieg in ihm auf. Noch vier, fünf Meter nur zu Lynnea.
Sein Jago scheute und warf die Vorderläufe in die Luft. Ein Blitz fuhr in eine
Klauenhand. Er schien sie nicht zu verletzen, doch die Erschütterung der Knochen
lockte die Krallen in eine andere Richtung. Gerrit trieb sein Tier erneut an.
    Sie erreichten Lynnea.
    Schäumend und grunzend kamen die Jagos zum Stehen. Holly glitt hinunter
und schaute sich um. Ihr eigenes Reittier war nicht mehr zu sehen.
    »Das arme Ding«, sagte sie leise mit Tränen in den Augen. »Es war so lieb.«
    »Ja, das war knapp«, bemerkte Lennart und sah nach vorn. Der Boden war
immer noch weiß, aber es schienen nunmehr kleine Steine zu sein. Hinter ihnen
Knochen, vor ihnen Steine, so weit das Auge reichte.
    »Danke, Lennart!«, keuchte Gerrit atemlos. »Ich wusste gar nicht, dass du so
gut Blitze schleudern kannst.«
    »Na, so doll sind sie nun wieder nicht. Ich übe noch«, gab sein Trainer grinsend
zu. Langsam fiel die Anspannung von ihm ab.
    »Solche Friedhöfe mag ich nicht«, beklagte sich Holly.
    »Ich auch nicht«, stimmte Gerrit zu. »Ich finde, wenn man uns Lebenden schon
beibringt, die Totenruhe nicht zu stören, sollte das erstrecht für die Toten selbst
gelten. Was ist denn das für ein Benehmen?! Wenn ich mir vorstelle, meine
Urgroßeltern würden ...«
    Lennart klopfte ihm auf die Schulter. »Es reicht! Versuch dich zu erinnern: Wir
sind hier, um den Schrein zu suchen.«
    Der Junge nickte. »Wenn der Schrein hinter dem Friedhof ist, und das eben der
Friedhof war, wo ist dann jetzt der Schrein?«, wollte er wissen.
    Lynnea zuckte die Achseln. »Hier müsste er sein. Genau vor uns.«
    »Du deutest hoffentlich nicht an, dass wir diese Quadratkilometer vor uns nach
einem kleinen Stern umgraben sollen?« Gerrit sah sie entsetzt an.
    »Hier ist irgendetwas«, tat Holly kund und kniff die Augen zusammen. »Ich
spüre Kälte.«
    »Wie sieht denn euer Schrein überhaupt aus?«, fragte Lennart.
    »Ich weiß das nur aus Schriften und Erzählungen. Er ist ein steinernes
Gebäude, dessen Gänge in das Erdreich führen. Ein Gang führt uns direkt unter
dem Berg durch. Dorthin, wo wir uns mit den anderen treffen wollen«, antwortete
Lynnea.
    »So klein, dass man es nicht sieht, wird das Haus doch hoffentlich nicht sein?
Und, bei aller Liebe, aber ich sehe hier noch nicht einmal einen Berg«, gab Lennart
skeptisch zu bedenken.
    »Haben wir uns etwa verlaufen?«, fragte Holly.
    Lynnea schüttelte vehement den Kopf. »So war die Beschreibung: durch die
Schlucht, über den Friedhof bis zum Schrein. Nördlicher Gang bis zur anderen
Seite des Berges. Wir sind vor dem Schrein. Nur der ist nicht da.« Betroffen starrten
sie alle geradeaus.
    Gerrit schnappte sich seinen Bogen und legte einen Pfeil ein.
    »Was hast du vor?«, wollte Lennart wissen.
    »Löcher in die Luft schießen! Das mach ich gern«, erwiderte er und schoss.
»Der war zu hoch«, fluchte er und legte erneut einen Pfeil ein. »Gut, dass Adrian
mich nicht gesehen hat. Da hätte ich was zu hören gekriegt.«
    Holly sah ihn an und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. Ein Zeichen
dafür, dass sie ihn für verrückt hielt.
    Lennart grinste. Er verstand, was sein Kamerad versuchen wollte. »Ja, halt
etwas tiefer!«, stimmte er zu.
    Holly und Lynnea

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