Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
Augenbraue nach oben. Er verschränkte seine langen Finger und stützte die Ellenbogen auf den Armlehnen des Throns auf. Das hagere Gesicht des Finstermagiers spiegelte wider, dass er angestrengt nachdachte – zu seinem Ärger konnte sich N’thaldur nicht mehr an den genauen Wortlaut seines Befehls zu erinnern.
„Ihr gabt mir den Befehl, Herr, den Dunkelelf und das Mädchen aufzuhalten, sie zu bedrängen und sie anzugreifen. Ihr sagtet, ich dürfte meine Freude an ihnen haben, solang ich dafür Sorge trüge, dass sie Dragelund niemals erreichen.“ Der Schattenzwerg blickte für einen kuren Moment auf, versank dann aber schleunigst wieder in seiner unterwürfigen Haltung. „Verzeiht mir, Herr, wenn ich Eure Befehle falsch gedeutet habe.“
„Nun, Makrantor.“ N’thaldur legte sich die Worte wohlüberlegt zurecht. Er wollte sich weder eine Blöße geben, noch seinen obersten Kommandanten für einen Fehler bestrafen, den eigentlich er selbst begangen hatte. „Noch habe ich nicht von der Ankunft der beiden Narren in Dragelund gehört. Insofern möchte ich noch einmal Gnade ergehen lassen und dir zugestehen, dass du meinen Befehl bis jetzt nicht missachtet hast. Vorausgesetzt, dass die beiden Dragelund wirklich noch nicht erreicht haben.“
„Sie sind nicht in Dragelund angekommen, Herr!“ Der Schattenzwerg verneigte sich noch einmal vor dem Finstermagier. „Ich habe alles getan, was mir in der kurzen Zeit möglich war, um sie aufzuhalten und sie auseinander zu treiben. Ich habe ihnen eine Meute von Rachoriks in den Weg gestellt und Revelya ...“
„Revelya!“, unterbrach ihn N’thaldur. In den Augen des finsteren Zauberers glomm ein überraschtes Funkeln auf. „Du hast sie zur Hilfe gerufen?“
„Ja, Herr! Ich habe sie in der Ruine aufgesucht, die sie zu ihrer Heimstatt erkoren hat, und sie davon überzeugen können, Euch zu helfen.“ Makrantor richtete sich auf, bis er kniete. „Die furchtbare Vampiress hat das Walddorf Skogrigg durch einen Fluch in eine tote Ruine verwandelt und dort einen Hinterhalt für Rhavîn Khervas gelegt. Sie hat sich Orks zur Hilfe geholt und die beiden angegriffen. Sie hat ihn und das Mädchen zurzeit in ihrer Gewalt. Ich habe Revelya den Befehl erteilt, sich mit ihnen zu vergnügen und sie dann zu töten, wenn sie möchte.“
„Wenn sie möchte?“ Erneut verzog sich N’thaldurs Gesicht. Misstrauen spiegelte sich in seinen Augen.
„Ja, Herr. Ich habe ihr gestattet, sich Eure Widersacher zu untergebenen Vampiren machen zu dürfen, wenn sie Gefallen daran finden sollte“, erklärte der Priester. „In diesem Fall hättet Ihr indirekt zwei Untergebene mehr und darüber hinaus stünden Euch diese beiden Narren, wie Ihr sie nennt, nicht mehr im Wege!“
„Vortrefflich, Makrantor!“, gab N’thaldur zufrieden zurück. Seine Haltung entspannte sich. „Solange sich Revelya um sie kümmert, kann ich mich beruhigt zurücklehnen. Ich habe vollstes Vertrauen in ihre Fähigkeiten und ihre Loyalität. Revelya ist die beste Vampiress, die ich kenne.“
„Ihr ehrt mich mit Euren Worten, Herr!“ Makrantor verneigte sich wiederholt und stand dann wieder auf. „Es gibt bloß ein einziges Problem.“
„Und das wäre?“ N’thaldur wurde ungehalten. Er hasste es, wenn seine Untergebenen nicht gleich alle wichtigen Dinge berichteten, sondern erst nach und nach damit herausrückten. Er schoss vor wie ein Wachhund. Wortlos drängte er den Schattenzwerg, fortzufahren.
„Ich hatte mir erhofft, Rhavîn und Auriel durch meine Angriffe auseinander treiben zu können, war fest in dem Glauben, dass die Hexerin den Dunkelelf verlassen würde, da ihr die Reise zu gefährlich sei, aber ...“ Der Zwerg stockte. In seiner Not schickte er ein Stoßgebet zu Chjerk. „Aber leider, so glaube ich, haben meine Angriffe die beiden fester verbunden, anstatt sie zu trennen, mein Herr.“
„Nun, ich denke, Revelya wird dafür sorgen, dass nichts schief gehen kann, Makrantor.“ N’thaldur erhob sich von seinem Thron. Er wandte sich zum Gehen. „Sollte dennoch etwas Unvorhergesehenes geschehen, etwas, das die beiden befreit, dann sieh dich vor! Sie sind zwar lediglich Narren, doch sind sie Narren, die Großes vorhaben und bereit sind, für die Erfüllung ihrer Ziele zu kämpfen. Vielleicht sogar, ihr Leben dafür zu geben.“
„Herr, ich werde sie ständig beobachten, wenn ich wach bin und eingreifen, sobald etwas geschieht, womit ich nicht gerechnet habe“, versicherte der
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