Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
schmolz, ein wohliger Geruch verbreitete sich. „Achte darauf, die Dämpfe nicht einzuatmen!“
Auriel war irritiert. Schnell presste sie ihren grünen Umhang vor Mund und Nase.
Das Harz verflüssigte sich. Mit dem Löffel vermengte Rhavîn es mit der bläulich schillernden Flüssigkeit. Dann zog er einige Bolzen hervor. Die Schäfte waren lila und schwarz gefärbt, die ehernen Spitzen mit Widerhaken versehen.
Auriel erschauderte. Von diesen Geschossen getroffen zu werden, musste grässliche Schmerzen verursachen. Die betäubend süßlichen Dämpfe, die aus der Schale strömten, brannten in ihren Augen. Dennoch beobachtete die Hexerin gebannt, wie Rhavîn die Bolzenspitzen in das Gift tauchte. Nacheinander netzte er jede Spitze mit der blauen Flüssigkeit, ließ sie trocknen und verstaute sie schlussendlich in seiner Bolzentasche.
„Der nächste Gegner, der uns über den Weg läuft, bekommt ein besonderes Geschenk.“ Grinsend blickte Rhavîn auf. Er versorgte das Besteck, die Fläschchen und die Schale. „Das Gift hat eine tödliche Wirkung. Meine Opfer sterben qualvoll, ganz gleich, an welchem Körperteil ich sie verwunde.“ Ein grausamer Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
Auriel nickte.
Nachdem beide noch etwas gegessen hatten, packten sie ihre Sachen zusammen, löschten das Feuer und brachen auf.
Da Nymion nicht länger bei ihnen war, musste nun Rhavîn allein den Weg führen, doch war der Dunkelelf zuversichtlich, Dragelund auch ohne Hilfe finden zu können.
Noch nie hatte er den Sitz des Menschenkönigs betreten, noch nie die Nordmarken bereist. Doch hatte er in seiner Heimat eine solch präzise Wegbeschreibung erhalten, dass er das Dorf des Jarls kaum verfehlen konnte.
„Ich wüsste gern, was in dem Brief steht, den du von deinem Fürsten erhalten hast, um ihn dem Jarl zu überreichen“, begann Auriel ein Gespräch, als die Drei den Wald betraten, um ihren Weg wieder aufzunehmen. „Es muss etwas Wichtiges sein, sonst würde er dich kaum solch einen weiten Weg gehen lassen und dir auch noch mit dem Tode drohen, solltest du versagen.“
„Vermutlich hast du recht“, erwiderte Rhavîn knapp. „Und wir werden auch nicht das Siegel brechen, um nachzusehen“, fügte er zwinkernd hinzu.
„Natürlich nicht!“ Auriels Augen weiteten sich. Schnell lief sie einige Schritte voraus. Sie breitete die Arme aus und atmete tief ein. Die Luft roch nach feuchter Erde und Pilzen, nach weichem Moos und Kräutern. Der Waldduft umfing sie mit seinen weichen Fingern, die wärmenden Sonnenstrahlen leuchteten ihren Weg und kitzelten ihre Nase.
Noch immer ragten aus dem weichen, gepolsterten Waldboden die schroffen Sandsteinfelsformationen auf und erschwerten zuweilen das Vorankommen der Gefährten erheblich.
Der Waldboden war uneben und gewann immer mehr an Höhe. Kleine Felsgrate, schmale Schluchten und harsche Felsvorsprünge leiteten die Gruppe voran und trieben sie immer tiefer in das Gebirge hinein. So wurden sie immer weiter nach oben geführt, bis sie schließlich zwischen moosbewachsenen Steilwänden und farnbestandenen Findlingsfeldern dem Himmel ebenso nah waren, wie die riesenhaften Bäume.
Inzwischen bestand der Wald vermehrt aus Nadelbäumen, die sich mit ihren krallenartigen Wurzeln in Felsspalten und Klüften festhielten. Die wenigen Laubbäume waren wegen des scharfen Windes, der in dieser Gegend oft durch die Felsschluchten blies, nahezu kahl, ihr Laub lag bunt und raschelnd auf dem Boden. Dennoch war die Landschaft ergrünt und voller Leben. Rhavîn und Auriel konnten viele Vögel bei der Jagd beobachten, sahen Rehe, Eichhörnchen und sogar ein Rudel Wölfe während ihrer Reise.
Es war ein unbeschwertes Wandern durch wunderschöne Natur. Nicht selten fanden die beiden kleine Seen und Bäche, aus denen sie ihren Durst stillen und in denen sie sich waschen konnten. Von Zeit zu Zeit entdeckten sie Früchte und Pilze, die sie sofort am Fundort verzehrten.
Rhavîn vermutete, dass sie in spätestens drei Tagen in Dragelund ankommen würden. Er erwartete eine unbeschwerliche, gefahrlose Reise.
„Denn jetzt, wo wir Revelya hinter uns zurückgelassen haben,“, erklärte er, „wüsste ich nicht, wer sich uns in den Weg stellen sollte.“
„Ich wäre nicht so zuversichtlich“, hielt Auriel dagegen. „Der Wald ist voller Finsternis, das spüre ich. In den vergangenen Stunden hat sich eine dunkle Macht über das Land ausgebreitet, die ich nicht zuzuordnen vermag.“
„Und wenn schon.“ Rhavîn
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