Rheines Gold
bevor die Dämmerung beginnt.«
»Du hast einen gefährlichen Auftrag, das weiß ich.«
»Ja. Und ich habe mich heute Nacht schon zu sehr exponiert.«
»Kannst du irgendwann wiederkommen?«
»In der kommenden Nacht. Wir müssen miteinander reden, Rufina.«
»O ja, das müssen wir.«
Sie strich mit der Handfläche über seine Brust und erfreute sich an der warmen, lebendigen, dunklen Haut. Sie war glatt, Maurus hatte schon immer die wenigen Härchen sorgsam ausgezupft, wie er es auch im Gesicht von Jugend an getan hatte. Entlang der Rippen fühlte sie den kleinen Wulst, den die Narbe seiner alten Verletzung hinterlassen hatte, dann aber ließ sie ihre Hand über seinem Herzen liegen und ertastete mit ihr den steten Schlag. Ein wenig verblüfft stellte sie fest, dass er sich beschleunigte, als sie sich näher an ihn drängte. Sie beschloss, sie würden in der kommenden Nacht nicht nur miteinander reden.
»Die Kinder - sind sie gesund, Füchschen?«
»Ja, Maurus. Sie wollten nie so recht an deinen Tod glauben.«
»Sag es ihnen noch nicht.«
»Nein, natürlich nicht. Obwohl...«
»Ich weiß, trotzdem.«
»Ist gut. Niemand wird es wissen.«
»Doch, Rufina. Ich habe Burrus unten getroffen. Du weißt, du kannst ihm vertrauen?«
»Ja, sicher.«
»Er wird auf dich aufpassen, aber du wirst selbst auch vorsichtig sein müssen. Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen, aber was ich zu tun habe, ist schon alleine schwierig.«
»Wo bist du tagsüber.«
»Im Wald.«
»Bei Halvor?«
Er sah sie erstaunt an.
»Ja, bei Halvor.«
»Er wusste schon, dass du lebst, als ich bei ihm war, nicht?«
»Ja.«
»Und ich habe ihm unterstellt, er wolle irgendwelche Verbrecher beschützen.«
»Es hat ihm sehr Leid getan, dich belügen zu müssen. Er hat eine ziemliche Achtung vor dir.«
»Ich mag ihn.«
Maurus streichelte ihr Gesicht und löste sich dann vorsichtig aus ihrer Umarmung.
»Ich komme nach Einbruch der Dunkelheit, Füchschen.«
»Ich werde auf dich warten.«
»Aber bitte nicht im Bett!«
»Nein?«
»Nein, Aurelia Rufina. Nein! Ich muss dir viel erklären.«
Genauso flink, wie er sich seiner Kleider entledigt hatte, legte er sie auch wieder an.
»Schlaf noch ein bisschen, Füchschen.«
24. Kapitel
Runenrat: Kenaz
Schäme dich nicht, das Hemd auszuziehen und
Schenkel auf Schenkel zu ertragen;
dort lass sein Zünglein sich tief in deine Purpurlippen verstecken,
lass Amor in tausend Stellungen der Venus Werk gestalten;
da soll kein Liebeslaut, kein Freudenwort ungesagt bleiben,
da soll das Bettgestell in lüsterner Schwingung erbeben.
OVID, AMORES
Es hatte niemand etwas von dem nächtlichen Besuch gemerkt. Er hätte wahrhaft ein Geist aus dem Reich der Schatten sein können, der das Haus betreten und lautlos wieder verlassen hatte. Doch als Rufina am Morgen ihre bloßen Füße auf den Boden setzte, fühlte sie ein leichtes Brennen in ihrem Unterleib. Als sie sich daraufhin an seine Umarmung erinnerte, breitete sich eine köstliche Wärme in ihr aus. Er war bei ihr gewesen, er hatte sie nicht mehr als Kind behandelt.
Rufina gab sich am Morgen alle Mühe, sich nicht das Glück anmerken zu lassen, das sie darüber empfand, dass Maurus noch lebte. Sie ging ihrer Arbeit wie gewohnt nach, aber immer wieder wanderten ihre Gedanken zur kommenden Nacht hin. Einmal, als sie geistesabwesend aus dem Fenster schaute, meinte ihre Dienerin: »Patrona, du siehst aus, als wärest du verliebt. Kommt der Baumeister heute wieder?«
»Was? Oh! Ach...« Sie fasste sich sehr schnell wieder und schüttelte den Kopf. »Nein, er hat im Wasserkastell zu tun. Und verliebt bin ich nicht in ihn. Merk dir das!«
Aber sie fühlte sich verliebt wie damals, als sie Maurus angetraut worden war, und wie ein verliebtes Mädchen schmiedete sie Pläne für die Nacht. Irene, die Köchin, beklagte sich bitterlich, dem gebratenen Huhn seien zwei Beine abhanden gekommen. Sie verdächtigte Crassus, den sie als Vielfraß eingestuft hatte. Das war eine haltlose Beschuldigung, die ihr Rufina jedoch klugerweise nicht widerlegte, obwohl Crassus der Aufnahme fester Nahrung an diesem Tag nicht sehr aufgeschlossen gegenüberstand. Er lag in seinem Zimmer, eine Decke verdunkelte das Fenster, und ein nasser Lappen, getränkt in Efeuwasser, kühlte eine schmerzende Stirn. Noch nicht einmal Fulcinia hatte den Mut gefunden, ihm ihre sanfte Strafpredigt angedeihen zu lassen.
»Es muss entweder ein ungeheures Quantum gewesen sein, das er getrunken
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