Rheines Gold
Liebhaber. Ich war lange wie im Rausch.«
»Jugend, Verliebtsein und Leidenschaft scheinen das zu bewirken.«
»Meine Mutter hat mich davor gewarnt. Ich habe nicht auf sie gehört.«
»Halvor ist mit Wolfrune nicht verheiratet, oder?«
»Nein, Wolfrune lebt ihr eigenes Leben. Vater hat Ingrun zur Frau genommen, als ich fünf Jahre alt war. Er holte mich von Mutter fort und ließ mich in seiner Familie aufwachsen. Wolfrune war ihm nicht böse darum. Ich besuchte sie dann und wann, und sie versuchte, mich ihr Wissen zu lehren. Es interessierte mich nicht besonders. Mir machte Raufen und Kämpfen mehr Freude als Kräuter sammeln und Runen werfen.«
»Ich habe große Achtung vor ihr empfunden.«
»Heute, Rufina, empfinde ich das auch. Ich werde die Tage, die ich noch hier bleibe, bei ihr verbringen.«
»Richte ihr meine Grüße aus.«
»Gewiss.«
»Ich werde sie auch noch einmal aufsuchen. Wenn diese Angelegenheit hier geklärt ist. Ich denke, es wird sie interessieren, welchen Weg das Schicksal genommen hat.«
»Sie hat dir die Runen geworfen?«
»Ja.«
»Hast du sie darum gebeten?«
»Ich wusste noch nicht einmal, dass es so etwas wie Runen gibt.«
»Erstaunlich. Sie tut es selten für einen Fremden.«
Sie saßen lange in Schweigen verbunden in der Dunkelheit. Es war ein freundliches Schweigen, in dem ihre Gedanken sich miteinander verwoben. Dann sprachen sie plötzlich beide gleichzeitig.
»Dein Rücken muss dir wehtun«, meinte Rufina.
»Ich begleite euch morgen zum Aquädukt. Und, ja, er tut weh, aber das wird mich nicht hindern. Es sind ein paar Striemen. Mit den Holzschwertern habe ich schon bösere Schrammen erhalten.«
»Ich bin schläfrig geworden, Oda.«
»Ja, ich gehe. Ich bin jetzt auch müde.«
Sie war fort, und Rufina rollte sich in ihre Decken. Irgendwann, als das Morgenlicht durch die Wand sickerte, wachte sie auf und spürte Maurus’ Wärme neben sich. Zufrieden rückte sie näher an ihn heran. Er legte den Arm über sie.
»Oda war nicht deine Geliebte.«
»Doch, für einen Nachmittag.«
»Das macht nichts.«
»Nein?«
»Nein.«
Rufina legte ihren Kopf an seine Schulter und schlief wieder ein.
27. Kapitel
Dunkle Kanäle
Und die Schätze,
die man nahe bei den Schatten der Styx verborgen hatte,
gräbt man aus - Anreiz zu allem Bösen.
OVID, METAMORPHOSEN
»Ich hatte Glück, Aurelius Falco war bei Claudus. Er hatte eine Gruppe Legionäre dabei. Sie halten jetzt ein Auge auf Lampronius Meles.«
»Gut, dann machen wir uns auf den Weg zum Aquädukt!«
Halvor hatte fünf Männer neben sich stehen, die mit Äxten und Messern bewaffnet waren. Oda hatte auch Männerkleidung angezogen und trug eine Waffe. Sie gingen zu Fuß, denn die Germanen liebten das Reiten nicht, und die engen Waldpfade, die sie wählten, waren auch nicht besonders geeignet dafür. So führten sie die drei Pferde am Halfter mit. Als der Weg einmal ein wenig breiter wurde, kam Maurus an Rufinas Seite und sagte leise zu ihr: »Fulcinia ist bewundernswert. Sie war wach, als ich die Tür öffnete, und sagte: ›Für solche Aufträge ist diese Hautfarbe sehr nützlich, Maurus!‹«
Rufina gab ein kleines Glucksen von sich.
»Ja, sie beurteilt alles, was sie nicht kennt, mit dem Verstand. Derartige Situationen, wie sie sie in der letzten Zeit erleben muss, dürften kaum mit dem vergleichbar sein, was sie zuvor erlebt hat. Aber sie macht das wundervoll.«
»Oh ja. Sie hat auch den Kindern eine alte Geschichte erzählt, eine aus Ägypten. Von der Göttin Isis, die ihren Geliebten sucht, der von seinem Bruder ermordet wurde.«
»Warum denn das?«
»Sie findet den zerstückelten Leichnam und setzt ihn wieder zusammen. So kehrt er als ihr Gemahl ins Leben zurück.«
»Oh. Wie du.«
»Wenngleich es da ein paar delikate Unterschiede gibt. Aber die lass dir von ihr selber erzählen.«
Danach schwiegen sie, denn der Weg auf den Waldpfaden war anstrengend, und Rufina, die bei Weitem Kleinste in der Gesellschaft, brauchte ihren Atem, um mit den langen Beinen der anderen Schritt zu halten.
Die Sonne hatte ungefähr den Stand der dritten Stunde erreicht, als sie das alte Absetzbecken erreichten, auf dem nun der Pfeiler der Hochwasserleitung gründete. Lucillius Silvian und zwei Männer, alle in derbe Arbeitstuniken, Lederhosen und Stiefel gekleidet, saßen bei einem Morgenmahl beisammen. Der Baumeister erhob sich, als er die Ankömmlinge sah, und kam ihnen entgegen. Er nickte Halvor zu und drehte sich dann zu
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