Rheines Gold
des Bächleins, das Wispern der Blätter im Wind sandten ihr die Botschaft. So erkannte sie, wie Odas Lebensweg sich gestalten würde. Auch sie flüsterte, betroffen von der Sicht auf die Zukunft.
»So wird dein Schicksal wohl sein, die Zeichen der Not für dein zukünftiges Volk zu deuten und ihnen Rat zu geben, wie sie es wenden können. Eine Aufgabe, die sich dir stellt, und an der du wachsen wirst.«
Kalte, zitternde Finger umschlossen ihren Arm, und Oda starrte sie an.
»Nun weiß ich, dass auch du eine Seherin bist.«
»Nein, Oda, das bin ich nicht. Es ist der Genius Loci, der hier herrscht. Du hattest vollkommen Recht, es ist ein den Göttern geweihter Platz.«
»Ja, vielleicht. Aber, Rufina, du hast die Finsternis vertrieben. Ich werde die Aufgabe annehmen, die du mir benannt hast. Wolfrune wird mir helfen.«
»Das wird sie gewiss.«
Sorgsam steckte Oda die drei Runen in ihre Gürteltasche. Rufinas Blick aber fiel, als sie sich erheben wollte, auch auf ein Ästchen. Eines, an dessen Form sie sich erinnerte.
»Schau, dieses hier mag Kenaz sein!«
Es war ein Ästchen, aus dem im rechten Winkel ein anderes wuchs.
»Ja, Kenaz, die Flamme. Such die beiden anderen, Rufina.«
»Aber ich kenne sie doch gar nicht.«
»Du wirst sie erkennen, wenn du sie siehst.«
Sorgsam legte Oda die erste Rune auf das Moos. Rufina sah sich auf dem Boden um, und wie der Zufall es wollte, fand sie eine weitere, das einfache Kreuz, wie ein X ihrer Schrift geformt.
»Gebo heißt diese, nicht wahr?«
»Richtig. Das Geschenk.«
Noch einmal ließ sie ihre Augen über das trockene Laub und die kleinen Ästchen unter den Büschen schweifen, aber sie fand nichts, was ihren Blick anzog. Mit einem Schulterzucken wollte sie aufstehen und stützte sich mit der rechten Hand ab.
»Au!«
Sie hob den Arm und sah einen Dorn, der in ihre Handfläche eingedrungen war. Nicht tief, und nicht sehr schmerzhaft. Er saß oben an einem Zweiglein, und bevor sie ihn herausziehen konnte, lachte Oda auf.
»Da ist deine dritte Rune!« Sie nahm das Zeichen sacht von Rufinas Hand und legte es zu den anderen. »Wunjo, die Freude!«
»Und was hat das nun alles zu bedeuten, Oda?«
»Kannst du das nicht selbst deuten?«
»Diese beiden ersten hat Wolfrune mir geworfen. Sie hat Kenaz allerdings als die vierte Rune gezogen.«
»Die vierte? Das ist ungewöhnlich. Aber sie wird einen Grund gehabt haben. Wolfrune hat immer einen Grund.«
»Sicher. Sie sagte, mein Leben sei mit jenem verwoben, dem sie - oder vielleicht war es auch die Wölfin - diese Rune auch einmal als die vierte zugeordnet hat. In Licht und Klarheit. Und vermutlich auch in großer Leidenschaft.«
»Hat sie den Baumeister getroffen?«
»Auch, aber ihm hat sie die Runen nicht geworfen. Sie hat sie für Maurus befragt. Aber damals wusste ich noch nicht, dass er noch lebt. Es ist seltsam...«
»Große Leidenschaft?«
Rufina senkte mit einem verstohlenen Lächeln den Kopf und spürte die heiße Flamme aufsteigen.
»Die Rune hat wohl sehr wahr gesprochen, will mir scheinen. Schäm dich nicht deiner Leidenschaft, Rufina. Wenn sie in gleichem Maß erwidert wird, kann sie euch beiden große Erfüllung bringen. Sie ist ein Geschenk - Gebo. Doch Gebo bedeutet auch noch mehr, denn das Feuer schenkt auch Licht und Wärme und gart die Nahrung. Es ist dein Geschenk an ihn, ihm ein Heim zu geben.«
»Ein Heim dem heimatlosen Abenteurer.«
»Das ist ein Stück aus dem Runenvers, ich erinnere mich. Wie passend, Rufina. Und Wunjo, das ist die Freude, die jene verbreiten, die Macht und Segen und ein gutes Haus ihr Eigen nennen. Es sieht aus, als hättest du auch eine Aufgabe, Rufina. Aber du bist ja schon daran gewachsen und wirst es weiter tun.« Oda sammelte die Ästchen ein und reichte sie Rufina. »Bewahre sie gut. Nun wollen wir zu den Männern zurückkehren und hören, wie sie weiter vorgehen wollen.«
Silvian und seine beiden Arbeiter waren gegangen, Burrus hielt zwei Pferde am Zügel, das dritte stand neben Maurus.
»Burrus begleitet dich nach Hause, Rufina. Ich werde zu tun haben. Warte nicht auf mich. Ich schicke dir eine Botschaft, wenn sich etwas Neues ergeben hat.«
»Gut, Maurus.« Ihr Mann hielt sich ein wenig starr und von ihr entfernt, und als sie seinen Arm berührte, wich er ein wenig zurück. »Bist du mir böse?«
»Nein, natürlich nicht. Aber wir haben jetzt zu tun. Bis später.«
Er drehte sich um und schloss sich Halvor und seinen Männern an. Der wies seine
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