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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auf mich den Eindruck eines Mannes von Überlegung gemacht.«
    »Hast du den Statthalter denn schon einmal getroffen? Das wusste ich nicht.«
    »Es ist schon lange her. Ich muss gestehen, ich war nicht unglücklich darüber, als er vor zwei Jahren die Position von Traianus übernommen hat. Er wird die Ruhe in der Provinz gewährleisten. Aber wenn man einen seiner Freigelassenen ermordet haben sollte, denke ich, wird er schon versuchen, den Fall aufzuklären. Wir werden sicher davon hören.« Nachdenklich sah Fulcinia Rufina an. Dann schlug sie vor: »Lass uns zum Herdfeuer gehen und den Laren und Penaten ein Opfer bringen. Du hast schon lange nicht mehr zu den Göttern gesprochen.«
    »Wie könnte ich, Fulcinia?«
    »Ich weiß, du haderst mit ihnen. Dann lass mich zu ihnen sprechen und bleibe einfach dabei, wenn ich den Weihrauch verbrenne.«
    »Nun gut.«
    Rufina begleitete Fulcinia in die Küche, wo der gemauerte Herd stand, auf dem gewöhnlich das Küchenfeuer brannte. Für heute hatte die Köchin ihr Werk getan, und der Topf mit kaltem Brei stand bereit, um für die Morgenmahlzeit gewärmt zu werden. Doch der Herd hatte nicht nur seinen praktischen Wert, er war auch das Herzstück des Hauses, die Stätte, an der wohlwollende Geister über die Vorräte und das Wohlergehen der Bewohner wachten. Er war ein Altar, auf dem das lebendige Feuer brannte, das Sinnbild der Hüterin des Heimes.
    Es war dunkel geworden, und sie hatten die Läden vor dem Fenster geschlossen. Nur das tönerne Handlämpchen, das Rufina trug, spendete Licht. Sie stellte es auf ein Bord und beobachtete dann, wie Fulcinia mit vollendeter Anmut ihre Palla über ihr Haupt zog und mit sicheren, achtungsvollen Bewegungen das Feuer mitten auf dem Herd entzündete. Schweigend beobachtete sie, wie die Ältere den Weihrauch richtete und das kleine Opfer aus Getreidekörnern bereit legte. Sie strahlte eine seltsame Ruhe aus in ihren stillen Handlungen, und das flackernde Herdfeuer beleuchtete ihr friedvolles Gesicht. Sie summte leise mit ihrer tiefen Stimme vor sich hin.
    Rufina wurde eingesponnen in diese sanfte Melodie, das aufgewühlte Meer ihrer Gedanken glättete sich, und Wärme breitete sich in ihrem Körper aus. Während sie Fulcinia das Ritual vollziehen ließ, schweiften ihre Gedanken ab, zurück in ihre Erinnerung.
    Seit drei Jahren weilte die Cousine ihres Schwiegervaters nun bei ihnen...
     
    Sie lebten damals nahe bei Ostia, dem Hafenort vor Rom, in der Villa von Fulcinius Crassus, da sein Sohn Maurus nie das Verlangen geäußert hatte, in ein eigenes Heim zu ziehen. Er hatte sein Bleiben im elterlichen Haus damit begründet, er wolle seiner sehr jungen Frau nicht zumuten, einen großen Haushalt zu führen. Das Arrangement war so unbequem nicht, denn Crassus war immerhin ein reicher Olivenölhändler, der sich einen geräumigen Landsitz und unzählige Dienstboten leisten konnte. Seine Gemahlin war schon seit etlichen Jahren verstorben, und auch Maurus’ leibliche Mutter lebte nicht mehr. So fand er es, wenn auch hinter seinem üblichen Murren und Nörgeln versteckt, ganz angenehm, Aurelia Rufina um sich zu haben, zumal Maurus oft und viel unterwegs war. Er hatte auch nichts dagegen, seine beiden Enkelkinder bei sich aufwachsen zu sehen.
    Rufinas drittes Kind kam in einer Zeit zur Welt, in der Maurus in Geschäften für seinen Vater eine lange Reise unternommen hatte. Es war ein weiterer Junge, der da mühevoll das Licht der Welt erblickte und seine Mutter durch die Anstrengungen der Geburt über die Maßen geschwächt hatte. Das Kind war vom ersten Tag an kränklich und litt oft an Koliken und unberechenbaren Fieberanfällen. Doch Rufina schenkte ihm große Aufmerksamkeit und Liebe, in der Hoffnung, ihm durch ihre reine Willenskraft zum Überleben zu helfen. Es gelang ihr nicht. In einer warmen Julinacht starb der Säugling in ihren Armen.
    Es war eine Zeit, an die Rufina nur undeutliche Erinnerungen hatte, und sie scheute sich auch, das zu wecken, was sich unter dem alles verhüllenden Nebel des Schmerzes verbarg. Sie nahm einige Zeit später wieder ihre verschiedenen Pflichten wahr, die sie sich im Haus ihres Schwiegervaters gesucht hatte, aber die ihr eigene Heiterkeit war von ihr gewichen. Erst als sie Mitte August die Nachricht erreichte, Maurus würde in Kürze nach Hause kommen, belebte sich ihr bis dahin geisterhaft blasses Gesicht wieder.
    Es war zu den Kalenden des Septembers, als er dann wirklich eintraf. Ihn begleitete eine

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