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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ihn in ein leises Gespräch zu verwickeln.
    Seit jenem Tag vor drei Jahren war Fulcinia maior, die jetzt vierzigjährige Jungfrau, fester Bestandteil der Familie.
     
    Rufina löste ihren Blick von den Flammen des Herdes und beobachtete, wie Fulcinia mit erhobenen Händen stumm zu den Göttern sprach. Sie war froh, sie bei sich zu haben. Ohne sie hätte sie die letzten Monate nicht ertragen.
    Damals jedoch war es in der Tat Maurus gewesen, der ihr über den Tod des Kindes hinweggeholfen hatte. Nicht unbedingt mit sanftem Trost und Zärtlichkeit, sondern weil er es ihr zur Aufgabe machte, sich an ein neues Leben zu gewöhnen. Zwar hatte er es ihr freigestellt, in Rom zu bleiben und weiterhin im Hause seines Vater zu wohnen. Aber sie nahm, wie Fulcinia auch, umgehend die Herausforderung an, mit ihm in die Colonia zu ziehen, um dort eine Therme zu betreiben. Er hatte sich sogar darum bemüht, das Dreikinderrecht zu erhalten, das mit gewissen Privilegien für ihn und vor allem sein Weib verbunden war. Rufina hatte mit Verblüffung darauf reagiert, da ihr drittes Kind doch verstorben war, aber Crassus hatte es missmutig gutgeheißen und bemerkt, sein Sohn verstehe es, mit seinem geschmierten Mundwerk immer wieder irgendwelche Vergünstigungen zu ergattern.
    Einen Monat später machten sie sich auf die Reise in das Land der Germanen, und Rufina lernte Fulcinia mehr und mehr schätzen. Sie erwies sich als überaus gebildete und belesene Frau, und in Gegenwart der Kinder verlor sie alle Schüchternheit. Maura und Crispus verehrten sie innig und waren von geradezu unnatürlicher Folgsamkeit ihr gegenüber.
    Doch das Geheimnis, das ihre Herkunft und Vergangenheit umgab, war Rufina erst sehr viel später in der Lage zu lüften.

5. Kapitel
    Lupercalia, das Fest der Wölfin
    Sie, die Göttinnen sah ich... und erschrak;
ich verriet meine Angst, weil ich stumm und blass war.
Aber die Furcht, die sie mir einflößte, nahm sie mir selbst.
    OVID, DE FASTI
     
    Der Februarwind pfiff eisig über das Land. Sie trugen die dicken Umhänge aus Wolfspelzen, die Kapuzen tief über die Köpfe gezogen. Ihre schweren, fellgefütterten Stiefel hinterließen auf dem hart gefrorenen Waldboden keine Spuren. Beide Männer hatten weiße Atemwolken vor den Gesichtern, als sie sich mühsam durch das Unterholz kämpften. Die ausgetretenen Wege der Einheimischen wagten sie nicht zu benutzen, und erst recht nicht den befestigten Pfad entlang der Wasserleitung. Dennoch blieben sie immer ganz in der Nähe des Kanals. Er war ihre Orientierungshilfe.
    Am ersten Tag schafften sie lediglich fünf Meilen ihrer beschwerlichen Reise. Nicht nur das unwegsame Gelände machte ihnen zu schaffen, auch die dauernde Wachsamkeit forderte ihren Tribut. Ihr Aufbruch stand unter dem Zeichen größter Geheimhaltung, und es war nicht wünschenswert, auch nur von einem Paar Augen beobachtet zu werden. Doch nicht nur menschliche Blicke hatten sie zu fürchten. In der frühen Dämmerung schlichen graupelzige Gestalten näher, und dann und wann ertönte das lang gezogene Heulen eines Wolfes. Sie mussten ein sicheres Lager für die Nacht finden, und erst, als sie einen ausreichend hohen Felsbrocken entdeckten, machten sie Rast. Ein Feuer anzuzünden wagten sie nicht, als Nahrung musste das kalte Fleisch und das schwere, dunkle Brot reichen, das sie bei sich trugen. Sie hüllten sich fester in ihre Pelze und versuchten, einander mit ihren Körpern Wärme zu spenden. Doch ihr Schlaf war leicht, und die Geräusche des tiefen Waldes ließen sie immer wieder wachsam aufschrecken.
    Einige Tage lang bahnten sie sich auf diese Weise ihren Weg durch den germanischen Wald, wortkarg, mit dem Messer in der pelzumhüllten Hand, wachsam. Am dritten Tag begann es heftig zu schneien.
    »Gut so, nun werden sie uns nicht folgen können. Lass uns den Pfad am Kanal nehmen.«
    »Nein, sie können sich ausrechnen, welche Route wir wählen. Noch ein paar Tage, mein Freund.«
    Mühsam humpelte der Angesprochene, gestützt auf einen schweren Stecken, weiter. Am folgenden Tag wagten sie es dann aber doch, einen der ausgetretenen Wege zu benutzen. Das Schneetreiben hatte etwas nachgelassen, aber die Wolken hingen noch immer tief und schwer über dem Land. Als sie eine kleine Ansiedlung erreichten, bat der Mann: »Geh du und sieh, ob du etwas zu essen für uns bekommen kannst. Du sprichst die hiesige Sprache besser als ich.«
    »Das stimmt zwar nicht, aber ich verstehe schon, was du meinst. Wo treffen wir

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