Rheines Gold
hagere, beherrschte Frau, die er als Fulcinia maior vorstellte. Crassus musterte die zurückhaltende Dame mit abschätzender Neugier und schloss dann: »Du musst die Tochter meines Onkels Gaius Fulcinius Arpinas sein. Er war seinerzeit ein Senator, wenn ich mich nicht täusche.«
»Er war es, Cousin, doch seit über zehn Jahren wandert er bei den Schatten.«
Fulcinias Stimme war so leise, dass man sie nur als Flüstern bezeichnen konnte, und erstaunlich tief für eine Frau.
»Stehst du alleine in der Welt?«, wollte Crassus barsch wissen. Er hatte für verschüchterte Frauenzimmer wenig übrig.
»Ich habe sie auf dem Gut von Gnaeus Fulcinius Gallus bei Massilia 1 getroffen, Vater. Er ist zwar ihr Großonkel, aber sie hat sich dort unglücklich gefühlt und wie in der Verbannung gelebt. Sie zieht es vor, in der Stadt zu wohnen«, antwortete Maurus.
»Es war eine goldene Verbannung bei Gallus, würde ich annehmen. Was hast du bei der noblen Verwandtschaft zu suchen, Junge?«
»Das Gut lag auf dem Weg. Ich habe ihn nur besucht.«
»Besucht? Nur besucht? Geschnorrt hast du!«
Maurus hatte gegrinst und Rufina angesehen.
»Tja, es hat sich aber gelohnt! Da Füchschen, kauf dir und den Kindern was Schönes!«
Er warf Rufina einen schweren Beutel zu, den sie geschickt aus der Luft fing. Als sie ihn öffnete, glänzten ihr Goldmünzen entgegen.
»Maurus! Das ist ja ein Vermögen!«
»Ach nein, nur Geld! Jedenfalls, Vater, Fulcinia möchte in der Stadt wohnen, und sie hat sich entschlossen, mit mir in die Colonia Claudia Ara Agrippinensium zu ziehen.«
Rufina war in diesem Augenblick ein wenig schwindelig geworden, da sie eine kalte Furcht wie ein Faustschlag traf. Wollte Maurus sie wegen dieser Frau verlassen? Doch die Antwort auf Crassus’ harsche Frage, was er da wolle, nahm ihr zumindest diese Angst, denn sein Sohn antwortete gelassen: »Ich habe ein Angebot der Familie der Petronii angenommen.«
»Woher kennst du die denn?«
»Ach, die habe ich unterwegs getroffen.«
»Und angeschnorrt?«
»Aber sicher. Du kennst mich doch, Vater!«
»Und was ist das für eine Stelle?«
»Oh, Pächter einer Therme!«
Crassus fiel buchstäblich der Unterkiefer herunter. Als er sich wieder gefasst hatte, troff seine Stimme vor Verachtung.
»Bewundernswert - mein Sohn, der Bademeister. Eine steile Karriere!«
»Ach, weißt du, sie sollen auch sehr schöne Latrinen haben, Vater. Die bringen angeblich einen netten Verdienst ein.«
»Latrinenpächter!«, spuckte Crassus.
»Na und? Hat nicht schon unser über alles verehrter Kaiser Vespasian in diesem Zusammenhang erwähnt, Geld stinke nicht?«
Rufina verlor etwas den Faden der Auseinandersetzung, denn die Fremde, die sich bisher stumm im Hintergrund gehalten hatte, war zu ihr getreten und hatte sich mit einer fließenden Bewegung neben sie gesetzt.
»Du bist Aurelia Rufina, nicht wahr?«, fragte sie in ihrer verhuschten Stimme.
»Ja, die bin ich. Willkommen, Cousine Fulcinia maior. Es tut mir Leid, dass du Zeugin dieser Streitereien wirst. Vater und Sohn kommen nicht immer gut miteinander aus.«
»Das gibt es. Auch ich bin mit meinem Großonkel nicht gut ausgekommen. Aber du, Aurelia Rufina, trägst eine große Trauer in dir, und es scheint, ich komme sehr ungelegen.«
»Nein, nein, es ist schon gut, Cousine Fulcinia maior. Darf ich dich so nennen?«
»Nenne mich einfach Fulcinia.«
»Noch einmal, du bist willkommen, Fulcinia. Maurus wird dir gesagt haben, wir haben zwei Kinder.«
»Ja, er sprach sehr stolz von Maura und Crispus.«
»Du bist nicht verheiratet?«
Fulcinia lachte sehr leise, und ihr Gesicht nahm dabei einen überraschend anziehenden Ausdruck an. »Oh nein, ich bin noch immer eine Jungfrau.«
Es klang seltsamerweise stolz, was Rufina irritierte. Die Frau neben ihr mochte Ende dreißig, vielleicht sogar schon vierzig sein. Ein Triumph war es für eine römische Bürgerin aus einer Seantorenfamilie gewiss nicht, bis in dieses Alter hinein unverheiratet geblieben zu sein. Ehen wurden früh geschlossen, fast immer durch die Eltern vermittelt und nicht selten unter machtpolitischen oder wirtschaftlichen Überlegungen. Eine so schlechte Partie konnte die Senatorentochter Fulcinia doch nicht gewesen sein. Aber sicher gab es Gründe, und Rufina war taktvoll genug, nicht weiter nachzufragen.
»Maurus war beinahe ein Jahr fort von hier. Wann hast du ihn kennen gelernt?«
»Vor drei Monaten erst. Er kam auf dem Rückweg bei meinem Großonkel Gallus
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