Rheines Gold
notgedrungen Platz genommen und nippte an ihrem Wein. Vornehme und vor allem wohlhabende Kunden mussten sorgfältig behandelt werden.
»Gerüchte pflegen zwar immer einen gewissen Wahrheitsgehalt zu haben, aber meist übertreiben sie doch. Es gab Schwierigkeiten, aber die sind jetzt behoben. Du brauchst nicht um dein nachmittägliches Bad zu fürchten.«
»Das freut mich zu hören.«
»Immerhin gibt es auch zu deiner Person einige Gerüchte, nicht wahr?«, lenkte sie mit einem liebenswürdigen Lächeln ab.
»Ja, es wird sich zeigen, Aurelia Rufina. Die Kalenden des Julius rücken näher.«
»Und damit der Rang des Decurio. Du bist ein bedeutender Mann, Lampronius Meles. Ich wünsche dir viel Erfolg. Aber verzeih mir, wenn ich mich jetzt zurückziehe. Auf die arme Thermenpächterin warten nie enden wollende Aufgaben.«
Sie erhob sich, bevor er Einspruch einlegen konnte, und entfernte sich mit beschwingten Schritten. Meles sah ihr mit unverhohlener Bewunderung nach.
Rufina war sich nicht ganz sicher, was sie von Lampronius Meles zu halten hatte. Er war zwar schon früher ein regelmäßiger Badbesucher, hatte sie aber kaum wahrgenommen. Gut, damals lebte Maurus noch. Vielleicht betrachtete er sie jetzt, da sie Witwe war, mit anderen Augen. Ganz konnte sie sich dem angenehmen Gefühl, beachtet und bewundert zu werden, nicht erwehren. Auch wenn sie eine leise Stimme vor ihm warnte, denn Lampronius Meles war ein glattzüngiger Herr.
Andererseits war er auch ein glatthäutiger Herr von gebräuntem Teint. Er erinnerte sie schmerzlich an Maurus.
Erheblich weniger glattzüngig, und erst recht nicht glatthäutig, war der zweite Mann, der an diesem Tag ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Und der sie, wie sie im Verlaufe des Zusammentreffens feststellen konnte, ebenfalls mit anderen Augen als bisher betrachtete.
Der Gong hatte vor geraumer Zeit die Schließung des Bades verkündet, und der Himmel hatte sich mit dichten grauen Wolken bezogen. Es war schon dunkel geworden, als Rufina ihre abendliche Inspektionsrunde durch die Therme durchführte. Langsam kühlte der Boden ab. Die Heizer hatten die Feuer im Praefurnium gelöscht, und die Kohlebecken im Schwitzraum waren niedergebrannt. Aus den Becken lief gurgelnd das Wasser in die Kanäle, die zum Rhein führten. Bald würde die Reinigungsmannschaft kommen und das Bad für den nächsten Tag säubern.
Im Apodyterium hing noch eine Tunika und grobe Braces, die Hosen, wie sie die Germanen trugen. Auch ein Paar Stiefel stand noch herum. Rufina fragte sich, ob wohl einer der Einheimischen nicht mit den Schließungszeiten vertraut wäre, und machte sich auf die Suche nach dem Besitzer der Kleidungsstücke. Sie hörte ihn, bevor sie ihn sah. Ein sonores Schnarchen erklang aus dem Wärmeraum. Hier lag, nur von einem Leinentuch bedeckt, der Baumeister Silvian auf einer Liege in tiefstem Schlummer. Seine Haare waren wirr, sein Kinn mit dunklen Bartstoppeln bedeckt, sein breiter Brustkorb mit krausen, schwarzen Locken hob und senkte sich gleichmäßig in seinen Atemzügen. Einen Moment lang betrachtete Rufina das Bild, das sich ihr bot, mit Nachsicht. Der Baumeister musste reichlich erschöpft gewesen sein, und auch wenn sie nicht die größten Sympathien für ihn empfand, tat es ihr Leid, ihn wecken zu müssen. Leicht legte sie ihm die Hand auf die Schulter und rüttelte ihn.
Ein unwilliges Stöhnen war die einzige Reaktion.
»Lucillius Silvian! Du kannst die Nacht nicht im Bad verbringen. Wach auf!«
Sie hätte auch gegen die Wand reden können. Der Mann regte sich nicht.
»Baumeister Silvian!«
Sie schubste ihn etwas nachhaltiger in die Rippen. Ohne sichtbaren Erfolg. Kopfschüttelnd sah sie ihn an und hielt ihm dann beherzt die Nase zu. Das Schnarchen wurde zu einem Grunzen, aber wach wurde der Schläfer nicht.
»Na gut, Lucillius Silvian. Anders geht es offensichtlich nicht!«
Rufina füllte einen Krug mit kaltem Wasser und goss den Inhalt mit Schwung über sein Gesicht.
»Verdammt noch mal! Was soll das? Oh!« Silvian setzte sich auf, schüttelte das Wasser aus den Haaren und sah Rufina verdutzt an. »Feine Methoden hast du, deine Gäste zu behandeln!«
»Ich habe, Jupiter sei mein Zeuge, mit einigen wirklich subtileren Methoden versucht, dich aus Morpheus Armen zu locken, Baumeister. Doch er hielt dich zu fest umklammert.«
Silvian sah zum Fenster hin und schüttelte noch einmal den Kopf.
»Es ist ja schon dunkel!«
»Richtig. Der Gong hat schon vor
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