Rheines Gold
verteilt, wir haben die Feierlichkeiten der Bona Dea und der Ops geleitet und die Parentalia, die Argei, die Parilia und die Fordicidia.«
In diesem Moment wäre Rufina fast von ihrem Pferd gefallen. Doch dann fasste sie sich, ritt etwas näher heran und fügte zur Erklärung ihrer Tochter hinzu: »Und das Lenken eines Gespannes hat sie auch gelernt, denn sie gehörte zu den wenigen Frauen, denen es gestattet ist, mit dem Wagen durch die Stadt zu fahren. Vor allem aber, Maura, hat Fulcinia maior das heilige Feuer der Vesta gehütet.«
»Nun ja, das taten wir auch.«
»Du bist eine der sechs vestalischen Jungfrauen gewesen?«
Maura kugelten fast die Augen aus den Höhlen.
»Ich bin es eigentlich noch, weißt du. Zehn Jahre habe ich ihre Wege gelernt, zehn Jahre ihrem Kult gedient und die letzten zehn Jahre die Novizinnen unterrichtet. Ich habe dann den Tempel verlassen, aber ich habe nicht aufgehört, meiner Herrin zu dienen.«
Diese Offenbarung hatte nicht nur Rufina tief beeindruckt, auch ihre Kinder sahen ihre würdevolle Tante plötzlich mit ganz anderen Augen und Gefühlen. Aber später, als sie mit Maurus alleine war, hatte sie ihn vorwurfsvoll gefragt: »Du hast gewusst, dass Fulcinia eine Vestalin war?«
Er hatte sie angelächelt und genickt.
»Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?«
»Ich dachte, du würdest schnell von selbst darauf kommen, Füchschen. Du bist nämlich ziemlich schlau. Und sie spricht nicht gerne darüber.«
»Warum eigentlich nicht?«
»Ich vermute mal, sie ist einer dieser ganz seltenen Menschen, die große Macht mit großer Demut zu verbinden wissen.«
Rufina hatte lange darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, sie würde auf gleiche Weise Fulcinias Geheimnis hüten, wie Maurus es auch getan hatte. Wenn sie sich mit einem Leben in ihren bescheidenen Verhältnissen wohlfühlte, dann war sie die Letzte, die ihr ständig vorhalten würde, welche ihrer einflussreichen Beziehungen sie besser nutzen sollte. Diese Beziehungen hatte eine Vestalin selbstverständlich - zu Caesaren, Hohepriestern, Würdenträgern aller Art. Und zu der Herrin der Flammen natürlich.
Ja, Fulcinia würde zu Vesta sprechen, wahrscheinlich gerade jetzt, an dem Herdfeuer in ihrer Küche. Getröstet sank Rufina in einen ruhigen Schlummer.
Am nächsten Tag hatte sie dann den Namen des Mannes herausgefunden, der ein paar Brocken der römischen Sprache beherrschte. Er hieß Erkmar. Er musste wohl auch so etwas wie der Anführer sein, ihr fiel die kostbare goldene Fibel auf, die seinen Umhang zusammenhielt. Er hatte sie gefragt, ob sie lieber laufen oder in den Körben getragen werden wollten. Mit einem Blick auf ihre dünnen Sandalen hatte sich Rufina für den Korb entschieden, hatte aber nachdrücklich klar gemacht, den Deckel über ihrem Kopf nicht zu dulden. Sabina hatte ein wenig gegreint, fügte sich aber schließlich mürrisch in ihr Schicksal. Ihnen wurden auch nicht mehr Hände und Füße gefesselt, ein Entkommen war auf den Wegen, die sie nun entlangzogen, sowieso nicht vorstellbar. Die vier Männer kämpften sich auf schmalen Wildpfaden voran, die ihnen wohl bekannt schienen, für Rufina jedoch nur den labyrinthartigen Charakter des Waldes deutlich machten. Dicht belaubt wölbten sich die Kronen der Eichen und Buchen über ihnen. Darunter war es schattig und immer ein wenig feucht. Es gab sumpfige Stellen, von Wildschweinen aufgewühlt, manchmal Felsen, selten Lichtungen. Sie kamen nur langsam voran. Doch einmal weckte etwas Rufinas Aufmerksamkeit. An einer Stelle sah sie von ferne eine ausgebaute römische Straße, die sich im Tal entlangzog. Diese Erkenntnis belebte sie, und danach versuchte sie, sich die Gegend einzuprägen und auf bestimmte Landmarken zu achten - auffällige Bäume, einen alten, moosbewachsenen Dolmen, eine Quelle.
Als sie um die Mittagszeit eine Rast machten, fragte sie Erkmar nach den Namen der drei anderen und erfuhr, dass der Mann im Lederwams Aswin hieß und Sabinas Träger Holdger und Thorolf genannt wurden. Sie machten den Eindruck, keinen Brocken ihrer Sprache zu verstehen. Zudem stellten sie sich als ausnehmend wortkarg dar. Aber sie trugen scharfe Dolche an ihren Gürteln, Thorolf dazu noch eine schwere Axt und Aswin einen Bogen. Mit ihm ging er für sie auf die Jagd und kehrte kurz darauf mit drei Hühnervögeln wieder, die er den beiden Frauen zum Rupfen vorwarf. Doch Sabina wich mit einem Entsetzenslaut zurück, und Rufina, auch wenn sie mutig
Weitere Kostenlose Bücher