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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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Liebesleben?“
    „Nichts. Jedenfalls nichts Erwähnenswertes.“ Alexandra hatte sich entschieden, nichts von Hannes zu erzählen. Sie mochte Selin gern, sie war nett und Alexandra konnte lange am Telefon mit ihr plaudern. Aber es verband sie nicht die Sorte tiefer Freundschaft, in der sie von ihrem Liebesleben erzählen mochte. Genau genommen war Hannes ja auch nicht Bestandteil ihres Liebeslebens. Er war - nun ja. Er war ein Schwarm. Einer, der interessant war, einer der ihr half, Oliver zu vergessen. Aber ansonsten war er eben auch der Krankenkassenmitarbeiter, der ihr Ärger gemacht hatte. Und ihr Vermieter, nachdem sie in seine Atelierwohnung gezogen war.
    „Übrigens ist mein Haus abgebrannt.“
    „Waaaaas? Das erzählst du erst jetzt?“, entsetzt klang Selins Stimme durch das Telefon. „Wie ist das passiert? Und wann?“
    „Wie, weiß man noch nicht. Das LKA ermittelt noch. Glücklicherweise bin ich mittlerweile vom Verdacht der ‘Brandstiftung zum Zwecke der Bereicherung‚ rein gewaschen. Das war am Anfang nicht so. Jetzt gehen sie von einem technischen Defekt aus. Aus meiner Sicht das Wahrscheinlichste. Der Boiler hat mir schon immer Angst gemacht, und die Leitungen waren eben genauso alt und marode wie das Haus selbst.“
    „Ach du dickes Ei. Warst du zu Hause als es passierte?“
    „Nein. Ich war unterwegs. Wahrscheinlich war das sogar mein Glück. Der Brandermittler meinte, ich hätte keine Chance gehabt, unversehrt aus der ersten Etage zu kommen.“
    „Wirklich ein Glück. Und jetzt? Hast du alle deine persönlichen Sachen verloren? Wo wohnst du überhaupt, bei deiner Cousine?“
    „Nein. Ich bin sozusagen zu meinen Sachen gezogen. Ich hatte in den Möbeln meiner Oma gelebt, weil ich mich noch nicht entscheiden konnte, was ich mit dem Haus und dem ganzen Kram mache. Und meine Möbel und das meiste meiner Sachen stehen eingelagert bei einem Freund in der Scheune. Und jetzt bin ich zu diesem Freund gezogen. Jedenfalls für die nächsten vier Wochen. Danach muss ich mal schauen. Kann sein, dass er dann die Wohnung an einen Kunstprofessor für ein paar Wochen vermietet. Er ist Teilzeitbildhauer und hat manchmal Arbeitsgäste, die Kurse geben. Ich wohne in der Atelierwohnung. Also muss ich bis zum nächsten Kursanfang etwas Neues gefunden haben.“
    „Teilzeitbildhauer? Atelierwohnung? Bist du jetzt die Muse eines Künstlers geworden?“
    Alexandra lachte. „Nein, wahrhaftig nicht.“
    „Hm, hätte ich dir ehrlich gesagt auch nicht zugetraut. Aber was ist mit dem Haus von deiner Oma? Bist du nicht völlig am Ende deshalb?“
    „Na ja. Es war ein Schock.“ Alexandra machte eine kleine Pause. „Ein großer Schock. Ich wusste nicht, wie sehr es einen trifft, wenn man vor seinem Wohnhaus steht und es einfach so zu Schutt und Asche zerfällt. Der Gestank nimmt einem den Atem, und der Anblick raubt dir die Hoffnung.“ Alexandra schluckte bei der Erinnerung an den Tag des Brandes.
    „Aber nach ein paar Tagen war ich vor allem froh, nicht zu Hause gewesen zu sein und zu leben.“
    „Menschenskind, ich kann mir das gar nicht vorstellen!“
    „Sei froh. Es ist unvorstellbar. Ohne die Hilfe von Caros Clique wäre ich völlig aufgeschmissen gewesen. Aber die haben sich rührend um mich gekümmert. Caro war im Urlaub, ich glaube im Nachhinein, es war ein Glück, dass sie das nicht noch einmal erleben musste.“
    „Das ist ein hartes Jahr für dich, hm?“
    „Tja. Langsam wird es mir ein bisschen viel. Auch die Anschläge, die kein Ende nehmen ...“
    Selin unterbrach Alexandra mit hysterisch klingender Stimme. „Anschläge! Anschläge? Sag mal, wo bist du denn gelandet? Ich dachte die Zeiten des wilden Ostens seien vorbei?“
    Alexandra lachte. „Es ist nicht so dramatisch, wie es sich im ersten Moment anhört. Eher harmlos. Es scheint hier einen Dorfirren zu geben, der mit alleinstehenden Frauen Probleme hat. Solange man allein lebt, bekommt man tote Ratten vor die Tür gelegt. Wenn dann regelmäßig ein Kerl morgens aus dem Haus kommt, lässt es wohl schlagartig nach. Das waren jedenfalls die Auskünfte anderer Betroffener, und auch die Polizei vor Ort sagt das.“
    „Menschenskinder, Alex! Bist du sicher, dass du dort nicht nur arbeiten, sondern auch leben willst?“
    „Todsicher, Selin. Todsicher.“ Und wirklich, Alexandra meinte es genauso so, wie sie es sagte. Sie liebte den Ort mittlerweile und konnte sich nicht mehr vorstellen, in einem Berliner Kiez zu wohnen, der zwar alles an

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