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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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schicken.“
    Er stand wieder auf und tigerte am Fenster entlang. „Kannst du dir vorstellen, wie peinlich es ist, wenn dein Chef neben dir steht und du nichts ahnend ein Paket aufmachst, in dem eine Lustpeitsche auftaucht?“
    Alexandra schüttelte den Kopf.
    Hannes nickte. „Es war mehr als peinlich. Sie ist mir ständig über den Weg gelaufen. Eine Aussprache folgte der Nächsten. Sinnlos, völlig sinnlos.“ Resigniert schüttelte er den Kopf.
    „Sie hat meine Post abgefangen. Habe ich aber erst zu spät gemerkt. Da waren die ersten finanziellen Ausfälle schon geschehen. Und sie hat meinen Freundeskreis manipuliert.“
    „Dann waren es keine Freunde!“
    Er lachte bitter auf. „Ach Alex. Sei nicht naiv. Sei ehrlich.“ Er kam zu ihr ans Sofa und hockte sich vor sie. Seine Hände lagen auf ihren nackten Knien. Warm spürte sie den Druck seiner Finger und sie fragte sich, ob sie diesen Händen Einhalt gebieten würde, wenn sie sich an ihrem Bein weiter nach oben arbeiten würden.
    Eindringlich fragte er: „Wie schnell solidarisierst du dich mit einer Frau, wenn sie dir erzählt, dass der Kerl, den sie abgöttisch liebt, für den sie alles tun würde, sie verlassen hat wegen einer anderen? Oder sogar, dass er sie geschwängert hat und sie aufgrund des Trennungsschocks eine Fehlgeburt erlitten hat? Oder das sie abtreiben musste, weil sie von ihm dazu gezwungen wurde, nach dem Motto, Beziehung oder das Kind? Wie lange glaubst du dann dem Mann, der bei euch Frauen ohnehin die schlechtere Position hat? Und wie oft triffst du dich dann noch mit so einem Menschen, mit jemandem, der bekanntermaßen ein Schwein ist und seine Freundinnen wie Dreck behandelt? Nach meiner Beziehung mit Judith ist mein Freundeskreis um ein Drittel geschrumpft.“ Seine Stimme klang bitter.
    Alexandra spürte, wie sich ihre Bauchmuskulatur verkrampfte. Kein gutes Thema. Weder das Verlassen werden wegen einer Anderen, noch das Thema Fehlgeburt. Sie schob Hannes Hände von ihren Knien und stand auf. Seine Unruhe übertrug sich auf sie.
    „Okay. Du hast Recht. Vermutlich würde ich zur Frau halten.“
    Hannes nickte. „Wenigstens bist du ehrlich.“
    „Was ist weiter passiert?“
    „Ich habe mich ein halbes Jahr später in Uli verliebt.“
    Alexandra zog die Augenbrauen hoch. „Und Judith?“
    „Sie ist völlig ausgerastet. Ich war zwischenzeitlich in den Hof gezogen. Judith hat sich im Nachbarort ein Haus gemietet. Das habe ich aber erst viel später erfahren.“ Er begann erneut seinen ruhelosen Raubtiergang.
    „Uli ist eine leidenschaftliche Fahrradfahrerin und war öfter mit dem Fahrrad hier. Eines Abends auf dem Heimweg wurde sie überfallen.“ Hannes unterbrach sich. Alexandra sah ihn fragend an. Sein rechter Wangenmuskel zuckte. „Uli hatte lange dunkelbraune Haare. Wie Seide. Der Täter, oder vielmehr die Täterin, hat ihr die Haare abgeschnitten. Bis auf die Kopfhaut.“ Er schüttelte den Kopf. „Es gab keine Zeugen. Der Täter war vermummt und Judith hat behauptet, im Bett gelegen zu haben. Man konnte ihr nichts nachweisen. Aber ich bin sicher, sie war es.“
    Alexandra hatte bei der Schilderung des Vorfalls ihre Hände in ihre Locken geschoben. Hannes lächelte leise, griff ihr zart in die Haare und zog eine Locke gerade.
    „Ich erzähle es nicht gern. Alle Frauen sind unglaublich schockiert, wenn sie davon hören. Manche meiden sogar den Kontakt mit mir, wenn sie die Geschichte gehört haben.“ Sein Blick war intensiv auf sie gerichtet und Alexandra fühlte sich, wie bei ihrem ersten Date. Gleich würde er sie küssen, oder? Er ließ die Locke los, die zurücksprang. „Dabei sind es doch nur Haare. Wachsen wieder nach. Wäre eine Messerattacke nicht schlimmer?“
    Alexandra trat einen Schritt zurück. Erst mal Abstand gewinnen. „Die Wahl zwischen Pest und Cholera?“ Sie schüttelte den Kopf. „Haare abschneiden ist brutal. Extrem brutal.“
    „Fand Uli auch. Sie wurde mit einem schweren Schock ins Krankenhaus eingeliefert. Aber das Perverse an der Sache kommt noch.“ Hannes sah Alexandra an, die ihn fragend fixierte. „Das Absurdeste der ganzen Geschichte war, dass es Judith schaffte, Uli davon zu überzeugen, dass ich zwei Beziehungen parallel habe laufen lassen. Nämlich nach wie vor mit Judith liiert wäre und Uli sozusagen nur die zweite Frau wäre.“ Er schüttelte den Kopf und seufzte leise. „Uli hat sich nach diesem Vorfall von mir getrennt.“
    „Stimmte es?“
    Er zog die Augenbrauen hoch.

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