Rheingau-Roulette
schüttelte heftig verneinend ihre Locken. „Das meinst du nicht ernst. Das kannst du nicht ernst meinen. Ich jedenfalls kann das nicht glauben.“ Wütend trat sie gegen einen Gartenstuhl, der mit kreischendem Geräusch umfiel. „Ich will das auch nicht glauben. Ich werde sie fragen.“
„Alex, ich weiß nicht, ob das klug ist.“
„Das ist mir egal. Wie soll ich denn sonst herausfinden, ob es stimmt?“ Alexandra konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie war wütend, aufgebracht und fühlte sich betrogen - von Hannes, von Gina und von den anderen im Freundeskreis, die doch sicherlich gemerkt hatten, gemerkt haben mussten, in welcher Lage Hannes war und sich dazu niemals ihr gegenüber äußerten. Sie fühlte sich das erste Mal wie eine Außenseiterin in Rangsdorf. Wütend wischte sie sich die Tränen weg.
„Es tut mir leid.“ Das dritte Mal, dass Hannes diese vier Worte sagte.
„Deine Gina, respektive Judith wusste mit Sicherheit, wer du bist und deshalb hat sie dich überhaupt erst kennengelernt. Judith ist früher nie gelaufen. Sie wollte nur eine weitere Möglichkeit haben, mich zu überwachen.“
Alexandra spürte den Belag auf ihrer Stimme. Müde fragte sie leise: „Warum hast du mir den Ärger mit der Praxis gemacht?“
Hannes räusperte sich. „Ich wollte dir keinen Ärger machen. Ich hatte einfach Angst.“
„Angst wovor?“
„Angst, dass du in einer engen Praxis ohne Notausgang sitzt. Ich wollte, dass du mindestens einen zweiten Ausgang hast und dass deine Patienten die gleiche Chance zur Flucht haben, wenn es notwendig sein sollte.“
Mit stillem Entsetzen sah Alexandra ihn an. „Warum hast du nichts gesagt?“
Er lächelte matt. „Weil es einem Betroffenen so schwer fällt, über Stalking und seine Folgen zu sprechen. Glaube mir, es ist für jemanden, der es noch nicht erlebt hat, nicht vorstellbar, wie sehr einen die ständige Kontrolle durch einen anderen belastet. Man fängt an komisch zu werden. Man traut niemand mehr. Und man wittert überall Anschläge. Ganz besonders auf Leute, die man mag.“ Sein Lächeln blieb in seinen Augen, auch wenn es aus seinem Gesicht verschwand. „Die Paranoia, die man entwickelt ist umfassend. Ich hatte Wolfgang nach dem Brand gebeten, Judiths Alibi zu überprüfen.“
„Und ich dachte, du meintest mich, als du ihm sagtest, dass das Alibi gelogen ist.“
Stille zog durch den Raum. Erschöpft fragte Alexandra leise: „Wie geht es jetzt weiter?“
Hannes zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Das ist das Schlimme an der Situation. Wir können immer nur reagieren.“ Er sah sie an. „Ich hole uns noch was zu trinken. Ich bin völlig ausgetrocknet.“
Alexandra nickte und Hannes verschwand in die Küche. Er kam mit Wein und einer Flasche Wasser zurück und goss die Gläser vor ihnen ein.
„Vielleicht hat sie sich beruhigt. Du hast seit Wochen keine Ratten mehr vor der Tür, die Praxis steht und bisher läuft dort doch auch alles wie geplant. Das Haus ist weg und du bist heil daraus gekommen.“
Alexandra nahm sich das Weinglas und trank.
„Hm. Vielleicht hat sie sich beruhigt. Oder es ist die Ruhe vor dem Sturm?“ Sie trank erneut.
„Was soll ich tun, Hannes? Ich bin übermorgen mit Gina verabredet. Soll ich sie fragen, ob sie Judith ist und mir das Haus angezündet hat?“
Er sah sie nachdenklich an. „Ich glaube nicht, dass sie kommen wird. Aber ich möchte auch nicht, dass du dich allein mit ihr triffst. Ich werde mitkommen.“
„Morgen bin ich mit Caro verabredet. Ich werde mit ihr darüber sprechen. Vielleicht kann sie mich begleiten.“ Sie sah ihn kritisch an. „Immerhin könnte es auch ganz anders sein, als du mir hier erzählst.“
Hannes seufzte. „Natürlich. Es könnte. Aber es ist nicht. Rede mit Caro und sag mir Bescheid, ob ich mitkommen soll.“ Er hob den Arm und sah auf seine Armbanduhr. „In einer halben Stunde kommen ein paar alte Freunde von mir auf einen Sprung vorbei. Möchtest du mit uns essen? Es tut dir vielleicht ganz gut, heute Abend nicht allein zu sein und noch ein paar angenehmere Gespräche zu führen.“
Alexandra nickte. Er hatte Recht. Wie mit so vielen Dingen.
Judith -5-
Sie hatte ihn gesehen. Hannes. Er war es, der im Auto hupend an ihnen vorübergefahren war. Und er hatte sie erkannt.
Judith zog sich die kurze schwarzhaarige Perücke vom Kopf. Der Schweiß juckte teuflisch nach dem Laufen. Wenigstens musste sie nach ihrer Entdeckung nicht mehr mit Hannes Hure laufen
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