Rheingau-Roulette
Feststellung. Er stellte das Wasserglas mit Bedacht auf den Gartentisch. Nachdenklich sah er sie an. „Sagen wir, ich erzähle es dir, weil ich die Hoffnung nicht aufgeben möchte, dass es ihr nicht gelungen ist, dich auf ihre Seite zu ziehen. Sagen wir, dass ich mein normales Leben zurückhaben möchte, und es beginnt damit, einem Menschen einen Vertrauensvorschuss zu geben.“
Er war bei seinen Worten auf sie zugekommen, nahm eine ihrer Locken und wickelte sie sich um den Finger. „Sagen wir, ich möchte, dass du meinen Teil der Geschichte in jedem Fall gehört hast, bevor sie dir ihren erzählen kann.“ Er sah sie an. Stumm erwiderte sie seinen Blick. Sie war verloren. Sie wusste es in dem Moment, als er sie im Garten mit diesem Blick ansah.
Es war eine bittere Erkenntnis für sie, dass sie so wenig Kontrolle über ihre Gefühle hatte. Noch bitterer war die Gewissheit, dass sie mit diesem Mann nicht in eine gemeinsame Zukunft steuern würde. Sie war verliebt, nicht locker, rosig und freudig gespannt auf die gemeinsame Zukunft, entfernt von allen realen Lebenswelten. Nein, düstere Wolken, deren dunkles Grau die zarten rosigen Herztöne finster übertünchten und aus dem schönsten Gefühl der Welt einen bitteren Cocktail mixten, waren die hässlichen Begleiter ihrer Empfindungen. Empfindungen, die sie nicht fühlen wollte. Grundsätzlich nicht, aber schon gar nicht diesem Mann gegenüber, der gerade vor ihr stand.
„Wann war der erste Anschlag auf dich?“
Eiskristalle glitzerten in seiner Stimme und der eiskalte Belag in seiner Stimmlage stand im seltsamen Widerspruch zu der Zartheit seiner Hände, die sich in ihren Locken vergruben.
Sie musste alles berichten. Er fragte nach jeder Kleinigkeit. Alexandra konnte sich längst nicht an alles erinnern, aber Hannes war unerbittlich. Er fragte nach jedem Detail. Als Alexandra von Ginas Beruf erzählte, stöhnte Hannes auf.
„Es ist ihre Schwester. Sie hat eine Schwester, die absolut esoterisch ist und neben ihrem Musikstudium als Wahrsagerin, Irisdiagnostikerin und was weiß ich noch alles arbeitet.“
Alexandra schwieg. Sie konnte sich noch immer nicht vorstellen, dass ihre Laufpartnerin tatsächlich Judith sein sollte. „Hast du ein Bild von Judith?“
Hannes lachte auf. „Ganz bestimmt nicht. Tut mir leid.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich könnte es nicht ertragen, ein Bild von ihr in meinem Haus zu haben. Diese Frau ist eine Strafe, die ich nicht verdient habe. Ich bin sicher, dass die Anschläge auf dich auf sie zurückzuführen sind.“
„Du hast gesagt, du hast sie trotz ihrer kurzen schwarzen Haare erkannt. Was hatte sie sonst für eine Frisur?“
Hannes zögerte. „Lange blonde Haare. Und das was sie beim Laufen anhatte, entsprach auch nicht ihrem Stil. Sie hatte immer dezente Farben an. Weiche Pastelltöne. Sie vermied alles, was grell und bunt war.“
„Und trotzdem hast du sie erkannt? Woran?“ Alexandra zweifelte noch immer.
„An ihrer Art sich zu bewegen. Und an ihrer Kopfhaltung.“ Hannes Blick war auf das Feld gerichtet. „Sie hat eine Kopfhaltung wie ein kleines Vögelchen, das immer auf der Hut vor Gefahren ist. Und sie läuft wie jemand, der genau weiß, dass man niemandem vertrauen kann.“
Alexandra fühlte sich verunsichert. „Du hast gesagt, du willst wieder normal leben. Und dass du mir einen Vertrauensvorschuss geben willst.“ Ruhelos spielten ihre Hände mit dem Weinglas. „Du hast nicht gesagt, dass ich dir vertrauen kann.“
Nachdenklich sah er sie an.
„Was willst du noch wissen?“
„Zum Beispiel, warum du mir solche Schwierigkeiten bei meinem Antrag für die Praxis gemacht hast. Hatte es etwas mit Judith zu tun?“
Er stand auf. Die Hände hatte er in die Hosentaschen gesteckt, eine Geste, die er häufiger machte, wenn er nicht sofort reden wollte, wie ihr schon mehrfach aufgefallen war. Zögernd nickte Hannes. „Ja. Hat es. Du hältst mich vielleicht für paranoid. Aber ich denke, dass die Ratten, der Einbruch und der Brand alles einer Person zuzuschreiben ist. Judith. Ich bin mir sogar sicher, dass der Brand kein Zufall war, sondern dass das Judith war.“
„Du glaubst, Judith hat mir das Haus angesteckt?“ Alexandra war entsetzt. „Hannes, was redest du da? Du behauptest, die Frau, mit der ich seit Wochen regelmäßig laufe, wäre deine Judith und während wir morgens zusammen trainieren und uns über alles Mögliche halb tot lachen, steckt sie mir abends die Hütte an?“ Alexandra
Weitere Kostenlose Bücher