Rheingau-Roulette
hustete verlegen und murmelte etwas von: „Ich muss dann mal weiter, tschüss bis demnächst“, und verschwand im nächsten Lebensmittelladen. Alexandra nutzte ebenfalls die Gunst der Stunde und verabschiedete sich um ihre Einkaufsliste abzuarbeiten. Als sie nach einer Stunde zum Treffpunkt zurückkam, sah sie Caro mit Thessmann zufrieden plaudernd auf der Bank sitzen.
„Hallo, hat doch ein bisschen länger gedauert. Tut mir leid.“
„Kein Problem.“ Caro hielt ihre Einkaufstaschen hoch.
„Drei Paar Schuhe für die Mädels und zwei Paar für mich. Und ein paar T-Shirts zum Bemalen für die Kinder. Und du?“
Sie sah zu Thessmann.
„Keine Schuhe, aber einen Gürtel. Und Rasierzeug! Und du?“ Fragend sah Thessmann zu Alexandra.
„Ach, lauter Kleinkram fürs Büro. Meine Liste ist abgearbeitet. Wir können nach Hause. Oder wartet ihr etwa auf Sändi?“
Caro lachte laut. „Nein. Bestimmt nicht. Sändi ist mit ihrem dunkelroten Porsche Cayenne schon lange auf dem Heimweg. Vermutlich musste sie rasch nach Hause, damit das Kindermädchen, die Haushälterin oder der Gärtner nicht irgendeinen Unsinn machen.“
„Porsche Cayenne? Haushälterin? Kindermädchen? Gärtner? Hab ich irgendwas verpasst? Ist die Dame aus höheren Kreisen?“
Caro prustete. „Da träumt sie von. Nein, nein, das finanziert alles ihr Ex. Sie war mit so einem alten Knacker verheiratet, einem erfolgreichen Fernsehproduzenten. Die Ehe, übrigens schon seine Dritte, ist in den Dutt gegangen. Zwei Kinder sind übrig geblieben und natürlich Sandra, genannt Sändi, die ständig versucht, sich als „die Gastgeberin“ zu präsentieren. Sie lädt uns immer alle ein, obwohl wir eigentlich nicht die Leute sind, mit denen man sich zeigen kann... Wenn ihr Ex kommt und den einen oder anderen Fernsehmenschen mitbringt, dann tut sie immer so, als ob sie uns nur aus Mitleid eingeladen hätte. Man kann sie einfach nicht für voll nehmen.“
„Warum macht ihr dann Party zusammen?“, fragte Thessmann neugierig.
„Es hat sich so entwickelt. Durch die Kinder. Und weil es so wunderbar entspannend ist, über sie zu lästern. Sie ist ja nicht böse oder fies und ihre Kinder können auch nichts dafür. Aber sie reizt einen schon mit ihren Attitüden.“ Caro stand auf.
„Na kommt, lasst uns gehen. Meine Kinder sitzen hungrig zu Hause und warten sicher schon auf mich.“
„Und wer wartet auf dich?“ Thessmann schaute Alexandra an, die einen schnellen Blick mit Caro wechselte.
„Der Unaussprechliche!“
„Der Unaussprechliche?“, fragte Thessmann mit verwirrtem Augenausdruck. „Wer ist das denn?“
„Mein Garten. Oder eher gesagt, diese Ansammlung von Unkraut, merkwürdigen Gewächsen und komischen kleinen blinden Tieren, die so dicke Hügel auf die Wiese machen!“
„Sag mir Bescheid, wenn es dir zu viel wird. Vielleicht kann ich helfen!“
Alexandra fragte ihn hoffnungsvoll: „Hast du den grünen Daumen, oder wenigstens ein bisschen Ahnung vom Gärtnern?“
Thessmann schüttelte lächelnd den Kopf und die leichte Schadenfreude war seiner Stimme anzuhören: „Nein, aber ich habe einen guten Schnaps!“
„... und ne Schippe für diese kleinen blinden Tierchen“, fügte Caro hinzu.
Am letzten Samstag im April, vor dem langen 1. Mai-Wochenende hatte Caro ihre diesjährige Geburtstagsparty angekündigt. Wie in jedem Jahr würde die Clique den ganzen Sommer über Partys feiern. Über die Jahre hatte sich ein vierzehntägiger Rhythmus etabliert und Caros Fest war wie in jedem Jahr der Start in die Saison.
Am 25. April hatte Caro ihren dreiunddreißigsten Geburtstag. Alexandra freute sich schon auf Caros Gesicht, wenn sie ihr Geburtstagsgeschenk überreichen würde. Sie hatte lange daran gearbeitet und die ganze Familie hatte sie dabei unterstützen müssen. Der eigentliche Geburtstag, der Dienstag vor dem Fest, war der Familie vorbehalten und Alexandra erschien pünktlich zum Nachmittagskaffee mit einem großen Blumenstrauß und einem schweren Päckchen bei ihrer Cousine. Arno hatte sein Büro für den Rest des Tages zu gemacht und ihre drei Mädchen saßen alle frisch gewaschen an der Kaffeetafel. Caro drückte gerade zu Tränen gerührt ihre Töchter ans Herz, die ihr dreistimmig ein Geburtstagslied vorsangen. Die Dreistimmigkeit rührte allerdings eher von unterschiedlichen Textzeilen, als von drei unterschiedlichen Klängen her und harmonischer Gesang hörte sich anders an. Aber ihre Töchter sangen mit Inbrunst. Sie hatten mit
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