Rheingau-Roulette
schmutziger als du dir vorstellst.“
„So gut kennst du ihn schon?“
„Wer kennt wen gut und findet ihn schmutzig?“
Caro war in die Küche getreten und sah die beiden Frauen forschend an.
„Den Pfarrer!“
Wie aus der Pistole geschossen kam es gleichzeitig von Alexandra und Andrea. Caro sah die beiden Frauen mit hochgezogenen Brauen an.
„Mädels, Mädels. Hatten wir so eine Nummer nicht erst mit Hannes durch? Müsst ihr jeden Mann, der diesen Ort betritt, jagen?“
„Aber natürlich. Jeder Mann, der den Anschein erweckt, lesen und schreiben zu können, darüber hinaus im Stande ist, sich gepflegt zu unterhalten und auch noch nett aussieht, ist es wert gejagt zu werden.“
Andrea nahm sich ein Glas und goss sich Wasser ein. „Du darfst nicht vergessen, Caro, an uns ledigen Weibern nagt der Zahn der Zeit. Wenn wir nicht bald ein Opfer in unserem Spinnennetz gefangen haben, bleiben uns nur noch die Gebrauchten, die schon Altlasten mit sich rumschleppen.“
„Oder die, die noch mit 40 bei Mutti leben ...“, ergänzte Alexandra. Sie nahm sich ebenfalls ein Glas und goss sich Wasser ein.
Caro sah kopfschüttelnd von einer zur anderen.
„Mädels, vielleicht solltet ihr auf andere Getränke umsteigen. Dann steht ihr hoffentlich auch nicht mehr so depressiv in der Küche rum, sondern kommt mit nach draußen. Frank hat den Grill angeschmissen, das Essen ist bald fertig und die Stimmung draußen entspricht dem meteorologischen Hoch der allgemeinen Wetterlage, während es hier drin eher nach einem deprimierten Tief aussieht.“
„War nur eine temporäre Verstimmung.“ Andrea straffte den Rücken. „Also raus mit uns in die Sonne. Schauen wir mal, wer sich da rumtreibt.“
„Genau. Lasst uns auf die Jagd gehen!“ Alexandra lachte Caro an, die ihren blonden Kopf schüttelte.
„Euch ist nicht zu helfen!“
„Treibjagd.“ Andrea sagte es ironisch grinsend in Richtung Alexandra. „Großwildjagd geht auf dem Dorf nicht!“
Und dann zogen sie albern kichernd Caro mit in den Garten.
Am späten Abend saßen nur noch ein paar Kollegen, Caro, Alexandra und Doro bei Frank, als Thessmann im Garten erschien.
„Ich hoffe, ich störe nicht. Ich komme gerade von einem Besuch, der mir ein wenig Kraft abverlangt hat. Bei Ihnen war noch Licht, und nachdem mich Ihre Frau heute Nachmittag schon mit der Flasche heimgeschickt hat, dachte ich, ich geb das hier eben noch ab.“
Er hatte eine Flasche Sekt dabei und ein kleines Päckchen, das er mit Glückwünschen Frank in die Hände drückte.
„Ihre Frau hat gesagt, den Sekt sollen Sie kaltstellen. Wenn sie nach Hause kommt, will sie endlich mal wieder etwas anderes als Wasser trinken! Fast zehn Monate Abstinenz wären genug!“
„Oh ja, Frank, stell sie kalt. Stella wird sich freuen, wenn sie übermorgen heimkommt.“ Caro nickte eifrig. „Sekt macht süße Mumi!“
„Mumi?“ Alexandra guckte ihre Cousine kritisch an. „Was hast du schon getrunken?“
„Mumi ist Muttermilch“, mischte sich Doro mit ihrer dunklen Stimme ein. „Herr Pfarrer, was möchten Sie trinken?“
„Ein schönes kühles Bier, bitte!“
Als Frank das Geschenk öffnete, grinste er. Ein Strampler in den Farben der Hertha BSC.
„Standesgemäß, Herr Pfarrer, standesgemäß!“
„Harald. Allerseits. Wenn´s recht ist!“ Thessmann nickte in die Runde.
„Ist es. Prost Harald, willkommen in der Runde der letzten Tapferen.“ Frank drückte Thessmann das Bier in die Hand und zog ihn zu dem kleinen Feuerkorb, der auf der Terrasse freundlich flackerte. Dort saßen sie bis spät in die Nacht. Irgendwann begann Doro zu singen und zusammen mit Thessmann intonierten sie ein paar alte Schlager, bis ein Nachbar entrüstet „Ruhe“ rief.
Frank schlief zwischendurch auf seinem Sessel ein, und nachdem die letzten seiner Angestellten gegangen waren, räumten Caro und Alexandra die Reste des Gelages auf.
Doro saß mit Thessmann auf der Terrasse und plauderte über Musik und erklärte ihm, warum sie nicht bei seinem Chor mitsingen könne.
Als Caro und Alexandra fertig mit aufräumen waren und gehen wollten, weckten sie Frank. Der war noch immer angetrunken. Verschlafen drückte er ihnen den Haustürschlüssel in die Hand, murmelte: „Schließt bitte ab“, und verschwand ohne weitere Worte in seinem Schlafzimmer.
Das Pfarrhaus lag auf der anderen Seite des Ortes. Thessmann ließ sich nicht auf Diskussionen ein. Er würde erst alle Frauen nach Hause bringen, bevor er
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