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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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verletzen konnte. »Warum hast du mich nicht gerufen?« knurrte Sigmund zornig. »Hat das Wolfsfell dir den Verstand geraubt, so daß du nicht einmal bis sieben zählen kannst?«
    Sinfjotli hob den Kopf. Die lange blasse Zunge hing schlaff zwischen den scharfen Zähnen. Trotz der Erschöpfung und der Wunde schien ihn der Wolf höhnisch anzugrinsen, wodurch Sigmunds Blut wieder in Wallung geriet.
    »Ich habe dir geholfen, acht Männer zu töten. Ich bin im Vergleich zu dir noch ein Kind und habe dich nicht gerufen, um mir zu helfen, elf zu töten. Ich habe dir ja gesagt...«
    Er konnte nicht weitersprechen. Sigmunds Zorn war grenzenlos, als er mit einem einzigen Satz auf Sinfjotli zusprang und ihn an der Kehle packte. Sinfjotli versuchte, sich zu erheben, schwankte aber und fiel ohne jeden Widerstand ins Laub. Blut mischte sich in seinen röchelnden Atem, und er blieb liegen, als Sigmund ihn losließ. Sigmund zog den Atem zischend durch die Zähne und blickte auf den jungen Wolf. Die großen Adern am Hals waren nicht verletzt. Nur ein dünnes Rinnsal Blut befleckte das zerzauste Fell an der Kehle, aber sein lautes Hecheln verriet deutlich, daß er verwundet war. Sigmunds Wolfsaugen kannten keine Tränen; er hob den Kopf zum blassen halben Auge des Mondes und heulte lange und schaurig. Der kalte Wind trug seine Klage weit über das Land. Dann rieb er den Hals am Boden, um das Wolfsfell abzustreifen, denn er wollte wieder ein Mensch sein. Aber das Fell saß fest, als sei es angewachsen. Schließlich senkte er den Kopf und packte Sinfjotli vorsichtig im Nacken. Dann zog er ihn langsam zur Höhle im Berg.

    *

    Sigmund erwachte im Morgengrauen. Er rollte zur Seite und wollte sich schon erheben, als er zu seinem Entsetzen auf alle vier Pfoten sank und ein leises Gurgeln ihn so klar und so schmerzhaft wie das Licht der Morgensonne in seinen kurzsichtigen Wolfsaugen an alles erinnerte, was während der Nacht in der Wolfshaut geschehen war. Er stieß den Wolf neben ihm vorsichtig an, aber Sinfjotli bewegte sich nicht, obwohl sein Blut warm war und er regelmäßig atmete. Vorsichtig hob er das linke Augenlid des jungen Wolfs. Das Auge darunter war ein Brunnen der Dunkelheit; was Sinfjotli auch sehen mochte, dort, wo seine Seele weilte, schien Midgards Sonne nicht. Sigmund lief zu den kleinen Tontöpfen, in denen er getrocknete Kräuter und andere Dinge aufbewahrte, deren Anwendung er von dem Erulier gelernt hatte. Er stieß eines der Töpfchen um, und ein paar Eibenbeeren rollten heraus. Sie waren dunkelrot und runzlig wie winzige Äpfel. Behutsam nahm er eine Beere zwischen die Zähne, trug sie zu Sinfjotli und legte sie auf seinen Körper. Das Gift würde das Feuer seiner Seele schützen, wohin er sich auch begeben haben mochte; nun konnte niemand Sinfjotlis Schlaf in Midgard stören.
    Der Werwolf lief am Morgen durch den Wald und trug seine Beute zurück zur Höhle. Er blickte besorgt durch den unsichtbaren Schutzring hindurch, um zu sehen, ob Sinfjotli erwacht oder gestorben war. Aber der junge Wolf lag immer noch bewußtlos auf dem Lager. Sigmund schlief den Nachmittag über, und als er erwachte, heulte er unglücklich den immer runder werdenden weißen Mond an. Vielleicht konnte der Sohn seiner Schwester seine Stimme hören. Er heulte immer wieder seinen Namen, aber es kam keine Antwort. Der nächste Tag verging ähnlich, aber Sigmund erwachte bereits vor Sonnenuntergang. Er lief in den Wald und suchte ruhelos hier und da, verfolgte Spuren, verließ sie jedoch, bevor er die kleinen Tiere aufgestöbert hatte, von denen sie stammten. Schließlich entdeckte er ein Wieselpaar. Sie sprangen umeinander wie pelzige Schlangen und beäugten Sigmund wachsam, als wollten sie ihm sagen, daß sie bei der kleinsten Bewegung schneller als ein Blitz verschwunden sein würden. Er blieb regungslos stehen und beobachtete sie nur, denn er hatte weder Hunger, noch trieb ihn die Wolfswut zum Töten. Er wollte das muntere, kämpferische Spiel nicht stören. Plötzlich stürzte sich das eine Wiesel mit einem durchdringenden Schrei auf das andere. Sie rollten übereinander, und ihre schlanken Leiber waren ineinander verschlungen. Als sie sich trennten, bewegte sich das eine nicht mehr. Sigmund sah auf dem blaßgrauen Fell Blut an der Kehle. Das andere Wiesel verschwand unter die Büsche und ließ seinen Gefährten zurück.
    Sigmund kam vorsichtig näher. Er senkte die Nase und schnupperte an dem leblosen Tier. Er wollte gerade das Maul öffnen,

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