Rheingold
sehr er auch suchte. Er spürte das glühende Gold, aber sein Bemühen war vergeblich. Schließlich entlud sich seine Wut und seine Enttäuschung in einem zornigen Schrei. Der Ärger drang durch das Wasser und die Erde und hallte zwischen den hohen Felsen auf beiden Seiten des Flusses wider. Kinder klammerten sich erschrocken an ihre Eltern, und die Männer griffen schnell nach ihren Waffen oder holten brennende Äste aus dem Feuer, um magische Symbole und Runen in den harten Boden ihrer Schilfhütten zu ziehen. Loki zügelte schließlich seinen Zorn und tauchte bald darauf aus dem Fluß wieder auf. Er hatte bereits einen Plan.
Loki folgte dem Flußlauf, bis er am Fuß eines Hügels eine sandige Bucht erreichte. Die glühende Kugel seiner Kraft wurde zu einem Funken. So versteckte er sich hinter einem Felsen und beschloß, bis zum Morgengrauen zu warten.
Als die ersten blauen Lichtstreifen durch die Wolken fielen, sah Loki, worauf er gewartet hatte: Drei Schwäne kreisten mit langsamen Schlägen der großen weißen Flügel über dem Rhein und ließen sich im dunstigen Morgennebel auf dem Wasser nieder, dann schwammen sie langsam ans Ufer. Lokis Erregung flammte auf; ein Lichtschein zuckte über dem Felsen, hinter dem er sich verbarg. Die Schwäne drehten die schmalen Köpfe in seine Richtung, sie hoben die schwanenweißen Hälse, öffneten die schwarzen Schnäbel und zischten ihn spöttisch an. Langsam und hoheitsvoll ließen sie sich von der Strömung nach Norden tragen, bis sie im silbernen Dunst des Sonnenaufgangs verschwunden waren. Loki folgte ihnen blitzschnell, konnte sie aber nirgends entdecken.
»Dumme Gänse«, murmelte er, »nun, wir werden ja sehen, wie sie zischen, wenn ich sie gefangen habe.« Er folgte dem Fluß und suchte einen Platz, der die drei Schwäne anlocken würde. Dort würde er ihnen auflauern, eins werden mit Stein und Sand und so ihren klugen Augen verborgen bleiben. Schließlich entdeckte er stromaufwärts nicht weit von dem Weg, der zu Hreidmars Halle führte, einen flachen Felsvorsprung, der ins Wasser ragte; er war weder Fluß noch Ufer, weder Wasser noch Erde. Der Platz würde durch seinen eigenen Zauber Lokis Spuren verwischen und ihm ermöglichen, die Schwäne zu fangen.
Loki erwartete sie bei Sonnenuntergang. Der rote Glanz der Abendsonne fiel durch die zerklüfteten Berggipfel und ließ die Tiefen des Rheins aufleuchten. Aber nur ein Waldvogel sang sein völlig belangloses Lied. In der Asche der eigenen Glut unter den von Wellen umspülten Steinen erwog Loki einen Plan nach dem anderen, verwarf sie alle wieder und wob schließlich doch schlau das feine Netz seiner Arglist.
Der nächste Morgen brach dunkel und stürmisch an. Der peitschende Wind trieb einen Regenschleier über die Wellen des Rheins. Loki sah unter den Wolken die weißen Flügel wie silberweiße Blitze. Aber er wußte, die drei Schwäne würden erst kommen, nachdem sich der Sturm gelegt hatte. Es regnete den ganzen Tag, und es regnete noch, als das graue Licht von der dunklen Nacht abgelöst wurde; aber nach Mitternacht riß ein starker, heftiger Wind die Wolken auf, und die Sterne glänzten hell und klar am Himmel. Das fahle Morgenlicht ließ die Umrisse der Berggipfel im Osten hervortreten, als die drei weißen Schwäne wie helle Wolken auf dem dunklen Wasser näher schwammen. Sie reckten die Hälse und spähten mit ihren scharfen dunklen Augen wachsam nach allen Seiten. Als sie die Klippe im Fluß erreichten, stiegen sie schwerfällig an Land. Stimmloses Flüstern drang zischend aus ihren Schnäbeln -
ein Flüstern, das Loki hörte und verstand. »Es sind keine Menschen in der Nähe.«
»Keine Menschen am Ufer, keine Menschen im Wald, keine Boote auf den strudelnden Wellen.«
»Trotzdem zittert mein Herz.«
»Was ist mit dem Feuerwesen, das uns aufgelauert hat?«
»Es ist bestimmt weit weg. Diese Felsen haben ihre eigene Macht.«
»Sie sind weder Wasser noch Erde, noch sind sie Luft.«
»Sind wir hier sicher? Können wir unsere Federn ablegen?«
»Hier auf der Grenze zwischen Fluß und Ufer?« »Wir baden hier in Frieden, Schwestern.«
Loki verhielt sich völlig still, als die Schwäne ihr weißes Federkleid abstreiften, und große schlanke Frauen mit blütenweißer Haut, schimmernden hellblonden Haaren, dunklen Augen und der kraftvollen Anmut majestätischer Vögel zum Vorschein kamen. Schweigend glitten sie ins Wasser und ließen sich von der Strömung tragen. Sie blickten fröhlich zum Himmel
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