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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Da Herwodis nicht länger Rede und Antwort stehen mußte, hörte sie kaum auf das, worüber sie sprachen, bis der junge Drichten sich umdrehte und sie fragte: »Ach, Hilde, mir ist auf dem Schiff aufgefallen, daß du auch vor Morgengrauen aufstehst. Hast du irgend etwas, das dir die Zeit verrät, auch wenn du weder den Mond noch die Sterne siehst?«
    Herwodis war auf eine solche Frage nicht vorbereitet und antwortete ohne zu überlegen: »Mein Vater hat mir einen dünnen Goldring geschenkt. Wenn der Tag anbricht, wird er an meinem Finger kalt.«
    »Bei den Franken herrschen merkwürdige Sitten, wenn die Töchter von Königen morgens die Kühe melken und die Dienstmägde Goldringe bekommen!« sagte Alaprecht. Herwodis erstarrte und hielt ängstlich die Luft an. Aber er lachte, und seine haselnußbraunen Augen blitzten fröhlich. »Ich glaube, ihr zwei habt euer Spiel nun lange genug gespielt, Herwodis. Du solltest inzwischen wissen, daß du von mir nichts zu befürchten hast. Ich hätte dich ohnehin in allen Ehren gehalten, auch wenn du mir gleich die Wahrheit gesagt hättest. Aber ich bewundere dich jetzt um so mehr. Wenn du willst, sollst du meine Frau sein. Über deine Mitgift kannst du auf jeden Fall frei verfügen.« Perchte und Chilpirich sahen sie ebenfalls lächelnd an. Die Königin strahlte, und der König lächelte belustigt, wodurch sein würdevolles Gesicht sehr heiter wirkte.
    »Bitte, sag ja«, drängte Perchte. »Wir werden den Bruder deines Vaters benachrichtigen, und alles soll der Ordnung nach geschehen, sobald es möglich ist. Wir möchten, daß du bei uns bleibst. Du mußt auch nicht fürchten, daß dein Kind hier kein gutes Zuhause haben wird.
    Wir kennen die Lieder über die Wälsungen, und für uns gibt es keine größere Ehre, als Sigmunds Nachkommen bei uns zu haben.« »Außerdem«, fügte Chilpirich langsam und ernst hinzu, »könntest du keinen besseren Schutz haben vor dem Mann, der dir geschadet hat, bis dein Kind alt genug ist, um Rache zu nehmen. Das Schicksal hat dir zwar den Vater und den Mann genommen, aber Alaprecht und ich werden mit Freuden ihre Pflichten dir und deinem Kind gegenüber erfüllen, wenn du es möchtest.«
    Herwodis stand in dem zu kleinen Umhang über dem ärmlichen Kleid vor ihnen und sah sie an. Aber hinter dem Lächeln von König und Königin verbarg sich kein Spott, und auch Alaprecht, der jetzt aufstand und ihr seinen Platz anbot, schien es ehrlich zu meinen. Herwodis war unsicher. Sollte sie davonlaufen oder bleiben? Sie dachte an Lingwes verschlagenes Gesicht, aber auch an die steinerne Halle ihres Vaters mit ihren Kostbarkeiten. Sie hatte diese Halle als Braut verlassen, und jetzt, da das Spiel, das sie vor den Pflichten einer Königstochter schützte, durchschaut war, würde sie ohnehin wieder heiraten müssen. Wenn sie nicht Alaprechts Hand nahm, dann würde Lingwe zurückkommen oder ein anderer König -vielleicht sogar ein wilder Burgunder.
    Herwodis setzte sich mit soviel Würde, wie sie aufbringen konnte, auf Alaprechts Platz. »Eine solche Freundlichkeit hatte ich nicht erwartet«, sagte sie leise und unterdrückte ein Zittern. »Ich nehme dich mit Freuden zum Mann, Alaprecht, und bleibe gern im Haus deiner Eltern.«
    Perchte erhob sich glücklich und umarmte sie. Der Kuß der Königin auf ihrer Wange war so zart und flüchtig wie die Berührung eines Schmetterlings. »Ich bin ja so froh«, murmelte sie. »Du armes Kind, was hast du durchmachen müssen. Aber jetzt ist alles vorbei, und du bist in Sicherheit.«
    Alaprecht reichte Herwodis sein Trinkhorn und legte seine Hände über ihre Hände. Sie nahm einen tiefen Schluck von dem kräftigen Bier und gab ihm das Trinkhorn zurück. Er leerte es mit einem Zug. »Wir werden alles unter uns ausmachen«, erklärte er dann, griff wieder nach ihren Händen und blickte ihr in die Augen. Er war nicht Sigmund, aber er war kräftig und sanft. Seine warme schützende Berührung tröstete sie wie der riesige Wachhund, der als Kind ihr ständiger Gefährte gewesen war.
    »So soll es sein«, antwortete Herwodis und schloß die Augen, als er sich über sie beugte und sie küßte.
    »Wann glaubst du, bist du zur Hochzeit bereit?« fragte Chilpirich nach einer Weile.
    »Laß mir Zeit, bis das Kind geboren ist«, erwiderte Herwodis rasch, »dann wird niemand an meiner Treue zweifeln.«
    »Das würde ohnehin nicht geschehen, mein liebes Kind«, versicherte ihr Perchte.
    »Trotzdem wollen wir warten.« Unsichtbare Tränen

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